der den menschlichen Geist als von der Materie geschiedene Software begreift, die man irgendwann schließlich verlustfrei in Supercomputer hochladen könne.

Andererseits lehrt uns die Alltagserfahrung, dass es unmöglich ist, unser körperliches Befinden von unserem seelischen zu trennen. Denn jede Beeinträchtigung des Körpers schlägt sich auch seelisch nieder und jede seelische Regung zeitigt einen körperlichen Effekt, der uns ermöglicht, diese Regung als Gefühl zu erleben. Wir erfahren unseren Körper also nicht nur als etwas von uns Getrenntes, sondern zugleich als den Ort, an dem sich unser Selbst ereignet.

Nach Antonio Damasio ist die Wahrnehmung des eigenen körperlichen Zustands auch für das Zustandekommen von Subjektivität und schließlich des Bewusstseins essentiell.  Seinen Untersuchungen zufolge entsteht die Subjek-tivität aus den Bildern, die wir uns von unserem Körper als Ganzem machen, während er Sinneseindrücke aus der Außenwelt aufnimmt und zu Gegen-ständen des inneren Erlebens verarbeitet.
Diese sog. Körperkartierung schließt sowohl die Wahrnehmung des Rezep-tionsvorgangs selbst ein, als auch unsere körperlichen Reaktionen darauf. Bewusstsein bedeutet also einerseits die Wahrnehmung wahrzunehmen, sowie die dadurch ausgelösten physischen Vorgänge, die wir in psychische Stimmungen übersetzen. Voraussetzung dafür ist jedoch die Selbstwahr-nehmung der Zellen und ihrer jeweiligen Milieus. (2)

Hier transzendiert Damasios Modell bereits die herkömmliche Vorstellung, das Selbst sei im Gehirn oder im Nervensystem eingeschlossen. Wir wissen inzwischen nicht nur von dem sog. zweiten Gehirn, also den deutlich älteren dichten Nervengeflechten im Darmbereich, sondern auch von den Wechsel-wirkungen zwischen Nervenimpulsen und ihrem Transit-Milieu, von denen die neutralen Primärimpulse modifiziert werden.
Ebenfalls sind uns die epigenetischen Effekte bekannt, mit denen unsere Darmflora maßgeblich auf körperliche und seelische Zustände einwirkt. In diesem Zusammenhang stellt sich also nicht nur die Frage, inwiefern unser Selbst das Gehirn oder das Nervensystem transzendiert, sondern ob unser Selbst überhaupt einer Entität, die einer bestimmten Spezies angehört, zugeordnet werden kann, oder ob das, was wir als „Ich“ bezeichnen nicht vielmehr eine symbiotische Konstruktion ist, an der über vier Milliarden verschiedenste Bakterien in unserem Verdauungssystem beteiligt sind.

Doch auch in einem für uns viel konkreter erfahrbaren Zusammenhang offenbart sich der Charakter der Grenze zwischen Subjekt und Welt als der einer unscharfen Überganszone. Laut Damasio entsteht die Subjektivität vor allem aus der Wahrnehmung der Wahrnehmung, also einer Verbindung des Wahrgenommenen mit den wahrnehmenden Organen, was nur durch das sog. Körperschema möglich ist, also durch unser Konzept und unser Empfinden des eigenen Leibes. Dieses Körperschema jedoch, ist keineswegs statisch.

Der Neurologe Oliver Sacks beschrieb z.B. Menschen mit neurologischen Schäden, die Teile ihres eigenen Körpers nicht mehr als zu sich gehörend empfanden (3). Genauso kennen wir alle das Gefühl eines erweiterten Körperschemas, z.B. beim Hantieren mit einem Werkzeug oder Sportgerät, dessen Maße wir nicht bei jeder Aktion neu bedenken müssen. Wir entwickeln durch Gewöhnung ein Gefühl für die Erweiterung unseres Körpers. Diese Transzendierung des ursprünglichen Körperschemas kann soweit gehen, dass Autofahrer*innen ein Gefühl für den eigenen Wagen mit seinen Ausmaßen, seinen Eigenarten und Macken entwickeln, das ihnen ermöglicht, damit intuitiv zu manövrieren, ohne auf eine stark verzögerten Abgleich mit dem Logos zu warten.

Dem Paläoneurologen Emiliano Bruner zufolge ist dafür die Entwicklung des Parietallappens verantwortlich, in dem unter anderem die Koordination von
Die  9. Ausstellung im Jahresprogramm Autonom? des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2022
Präsentation
Vernissage
back
next
Gefördert von der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek, mit der Unterstützung von Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, Wien