Hand und Auge angelegt ist, die wiederum einen wichtigen Baustein für das Zustandekommen des Körperschemas bildet (4).
Anhand zahlreicher Gipsabgüsse der Gehirne von Hominiden konnte er eine kontinuierliche Vergrößerung dieses Hirnareals beobachten, die parallel zu der Entwicklung von Steingeräten verlief. Gleichzeitig konnte er spezifische Wechselwirkungen zwischen Werkzeug und dieser Region des Gehirns feststellen. Sobald ein Werkzeug richtig in der Hand liegt, ändert sich nicht nur die Leitfähigkeit der Haut, sondern es werden im Parietallappen Areale aktiviert, die für die damit ausgeführten Tätigkeiten sowie die Erinnerungen daran verantwortlich sind (5).

Im Laufe der Evolution bildete der Mensch also ein Hirnareal aus, das sich gezielt an die Anforderungen des Werkzeuggebrauchs angepasst hat und Objekte intuitiv auf ihre Eignung als Werkzeug untersucht.
Die Kognitive Archäologin Miriam Haidle schreibt zu diesem Phänomen: „Der Mensch wird nicht nur durch körperliche und geistige Eigenheiten charak-terisiert, sondern wird erst verständlich durch seine unauflösliche Verknüpfung mit unbelebten Objekten, die durch ihn zu Teilen von Handlungen und dadurch der menschlichen Welt werden. Die Verbindung zwischen dem bewusst handelnden Subjekt Mensch und einem Objekt wird durch kognitive Prozesse geschaffen. Das Objekt wird dadurch als Werkzeug zu einer zeitlich begrenzten Erweiterung des Subjekts.“ (6)

An anderer Stelle weist Haidle darauf hin, dass Werkzeuge nicht nur unlösbar mit dem Menschsein verbunden sind, sondern auch unsere Wahrnehmung selbst beeinflussen. Durch sie lernen wir Qualitäten und Aspekte der materiellen Umwelt kennen, die uns ohne sie nur schwer oder gar nicht zugänglich wären. Zugleich verändern die durch sie gewährten Möglichkeiten den Blick auf die Dinge, die uns umgeben. Wer schon einmal Holz mit einer Axt gespalten und mit diesem Werkzeug dessen Materialität wahrgenommen hat, entwickelt eine andere Vorstellung davon, ein anderes Gefühl dazu. Werkzeuge erweitern also auch unsere kognitiven Sinne und damit unseren subjektiven Zugang zur Welt.
Es scheint also, dass der Mensch eine Evolution durchlaufen hat, während der er sich neurologisch an eine von ihm geschaffene Technosphäre angepasst hat. Er hat sich genetisch so verändert, dass er ebenso wenig ohne Werk-zeuge denkbar ist, wie ein Einsiedlerkrebs ohne Schneckenhaus oder eine Köcherfliegenlarve ohne ihren Köcher. Werkzeuge sind Teil des Menschseins.

Betrachten wir vor diesem Hintergrund erneut das Selbst und forschen nach dessen Grenzen, müssen wir uns also die Frage stellen, wie weit es in die Sphäre der uns umgebenden Dinge hinein reicht? Wie die Grenze zwischen Selbst und Welt beschaffen ist? Und ist das, was wir als unser Selbst bezeichnen, nicht viel eher ein interaktives oder symbiotisches System organischer und anorganischer Elemente?
Diese Fragen sind auch Ausgangspunkt der Arbeiten des aktuellen Werkkomplexes von Sophia Latysheva.

Dazu hat sie sich einem gesellschaftlichen Feld zugewandt, auf dem dieser Themenkomplex immer wieder sichtbar und öffentlich verhandelt wird: der Leistungssport. In jeder Saison werden neue Regularien erarbeitet, die bestimmen, wie Sportgeräte beschaffen sein dürfen, welche technischen und biochemischen Mittel zur Steigerung der Leistung legitim, und welche körperlichen Modifikationen zulässig sind.

Dem liegt die Vorstellung zugrunde, allen Sportler*innen die gleichen Voraussetzungen zu bieten, damit schließlich die rein individuelle Leistung beurteilt werden kann.
Doch schon bei minimalistischen Sportarten wie dem Skisprung beeinflussen bereits etliche technische Faktoren die erbrachte Leistung, wie z.B. Schnitt und Material des Anzugs, der Ski, das Wachs, die Bindung, der Schuh, der Helm etc.. Da sich zu diesem technischen Komplex auch noch zahllose körperliche und psychischen Aspekte gesellen,  wird unter den Skispringer*innen meist nur noch von einem System gesprochen. Die Aufgabe der Athlet*innen besteht also vor allem darin, alle disparaten Elemente zu bündeln, sich zu eigen zu machen und mit ihnen zu einem System zu verschmelzen. Die Leistung wird
Die  9. Ausstellung im Jahresprogramm Autonom? des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2022
Präsentation
Vernissage
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