mitunter auch die der traditionell kostbarsten Stoffe und Elemente übersteigen kann. In ebensolchem Maße wie die Vielfalt synthetischer Stoffe zugenommen hat, wächst auch ihre schiere Quantität sowie die daraus resultierende größere Anzahl von Produkten. Diese Massenproduktion aus teils kostbaren und häufig extrem beständigen Stoffen hat paradoxerweise dazu geführt, dass Objekte trotzdem nur kurzzeitig benutzt und dann weggeworfen werden. Auch verschwinden massenhaft vorhandene Produkte schlagartig, wenn ihre Produktion eingestellt wird oder neue Produktionslinien aufgelegt werden. Sie sind deshalb genauso ephemer wie bestimmte Handlungen. Sie versinken so plötzlich unter den Horizont der Wahrnehmung wie sie über ihm auftauchten. Schließlich überdauern diese Gegenstände nur in Sammlungen und auf Abbildungen, wo die Ewigkeitsbehauptung der Museen solchen Artefakten die Dauerhaftigkeit von antiken Standbildern zusprechen.
                 
Hierin liegt die Beachtung begründet, die wir den oben beschriebenen Arbeiten von Bromma und Brückner schenken. Wir hätten gewöhnlich überhaupt keinen Grund, den dort vorhan- denen Teilen, die massenhaft hergestellt werden, um nach Gebrauch oder als Überschuss im Müll zu verschwinden, Beachtung zu schenken. Wir tun es trotzdem, weil sie durch den Eingriff der Künstler aus dem Warenkreislauf entfernt worden sind, um einer neuen, nicht vorgesehenen Bestimmung zugeführt zu werden, die unser Interesse wecken soll. Den Künstlern wurde die notwendige Anstrengung zur Herstellung eigener Produkte erspart, die unbearbeitet oder nur geringfügig verändert uebernommen wurden um sie zu einem Objekt bzw. zu einer Installation zusammengesetzt zu praesentieren. Darin liegt der Rückgriff auf die dadaistische Methode der Collage oder Montage. Ihr Merkmal ist die Komposition des Vorhandenen unter weitgehendem Verzicht darauf, die prima materia selbst zu formen (Plastik) oder aus ihr eine Form herauszuschlagen (Bildhauerei).

2. Biologische verso künstlerische Schöpfung
Die Materialen und Gegenstaende in der Installation, deren Zuordnung letztlich von der Auffassung der Betrachter abhaengt, gehoeren sowohl der Warenwelt wie auch der Welt des Abfalls an, wobei sie ihren Gebrauchswert weitgehend eingebüßt haben. Die Künstler

befanden, dass sie sehr wohl einen Ausstellungswert haben, der durch eine rudimentäre Bearbeitung und besonders durch die Konstruktion der Installation gegeben ist. Die Roh- bzw. Grundstoffe der verwendeten Materialien gehören darüber hinaus weiteren Kategorien an:
Einige sind Naturprodukte, wie die Holzröhrchen des Pergolavorhangs und der Rindenmulch, der hergestellt wird, damit Holz leichter kompostiert werden kann, bzw. im Garten das Wachstum unerwünschter Kräuter hemmt. Andere Produkte aus synthetischem Material haben ihren Ursprung im Erdöl. Viele Grundstoffe der Kunststoffindustrie werden aus diesem Bodenschatz gewonnen. Damit gehören sie ebenfalls einem Zwischenbereich an; denn das aus Plankton entstandene Rohöl ist ja natürlicher Herkunft und wurde erst durch die chemischen Veränderungen infolge des Luftabschlusses und der mechanischen Belastungen zwischen den geologischen Schichten im Erdinneren zu einem Rohstoff, in dem viele, auch giftige Bestandteile konzentriert sind.
An der Grenze, die wir zwischen Kultur und Natur zu ziehen gewohnt sind, stellt sich die Frage, ob diese Unterscheidung noch angemessen ist. Basiert nicht alles das, was Menschen tun und erzeugen, auf Naturgesetzen und unterliegt nicht auch die industrielle Produktion Naturgesetzen? Vielleicht wird aus den an dieser Ausstellung ablesbaren Zusammenhängen erkenbar, dass das Hybride auch als ein Übergangsstadium dessen anzusehen ist, was in den ursprünglich schöpferischen Gesamtzusammenhang der Natur zurückfließt.  So bleibt die Idee des Schöpferischen als Formbildung aus der prima materia einerseits der Industrie überlassen und andererseits ist es seit jeher die Prozesshaftigkeit der Materie, welche letztlich die aus ihr entnommenen Stoffe - auch in der Form der Bearbeitung durch die Menschen - nicht nur ablagert, sondern sie wieder übernimmt, um sie in organische Gewebe einzubauen. Wir Menschen sind ja selbst eine vorübergehende Erscheinung, die sich über das Zeitalter des Erdöls hinaus entwickeln wird, obwohl die meisten es noch nicht wagen, ueber die bestehenden Verhaeltnisse hinauszublicken. Vielleicht befinden wir Menschen uns wegen der ebenso bedrohlichen wie faszinierenden Veränderungen der Umwelt in einer Situation des Beobachtens, so dass Künstler darauf verzichten, ihre demiurgische Arbeit auszuüben, um sich auf das Umschichten, das Kompostieren und auf das Sichtbarmachen von Unbekanntem und Verborgenem verlegen.12
Die 03. Ausstellung im Jahresprojekt HYBRID des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Vernissage

12 Solche wie immer geartete Entscheidungen von Künstlern berühren Fragen der Bio-Politik, und greifen in einen Bereich zwischen Kunst, Kultur und Leben ein, den Giorgio Agamben untersucht hat. Ich kann Homo sacer. Il potere ssovrano e la duda vita, Torino 1995, dt.: Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, Frankfurt/M 2002 hier nur erwähnen, damit jeder und jede selbst beurteilen kann, wo man sich jenseits des Bildes vom Menschen befindet und welche Verantwortung damit verbunden ist.
Gefördert von der Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg 
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