Der
Beitrag von Bromma zu diesem Komplex ist ein Foto, das sie
auf dem Hof eines Gebrauchtwagenhändlers aufgenommen hat.
Es zeigt ein Nest aus hybriden Materialien, das eine Amsel
im Schutz des Radkastens auf dem Vorderrad eines
Kleintransporters gebaut hat. Im Kontext der Ausstellung
wird klar, wie sich die Kultur der Tiere und die
künstlerische Interpretation des Abfalls durch beide
Künstler hinsichtlich der Materialauswahl wie auch in der
Verortung ihrer Objekte treffen. Allerdings bleibt die
Frage offen: Woher wusste die Amsel, dass dieses Auto ein
Ladenhüter war? Die Behausungen von Tieren sind zunehmend mit Fundstücken aus der Zivilisation durchsetzt, die sich nicht einmal durch Verschmutzung dem Naturstofflichen anzugleichen brauchen. Vögel und nestbauende Säugetiere - wie Eichhörnchen - greifen auf Fragmente von Kunststoff- produkten zurück, um Nester zu bauen. Mit diesem Verfahren identifizieren sich beide Künstler, die hier diese Parallele zur Diskussion stellen, die von den Dadaisten und auch von den Neo-Dadaisten so noch nicht absehbar war. Während diese Verfahren des Sammelns und Nestbauens den Sinnen noch einigermaßen zugänglich sind, ereignet sich heute in den Meeren, bisher nur von einigen biologischen Forschungseinrichtungen bemerkt, eine Revolution der Evolution. In den Meeren lebende Kleinstlebewesen bauen neuerdings auf Molekülgröße zerriebene Abfälle in ihre Zellen ein. Diese Moleküle stehen dort massenhaft zur Verfügung, weil sich die auf den Meeren treibenden Kunststoffabfälle durch Düngung angetrieben an sich selbst zerrieben haben, bis sie eine Feinstofflichkeit erreicht haben, die biologisch recycled, d.h. als Moleküle in Zellen eingebaut werden. In Mikrosplitter zerlegt verliert das ehemalige Produkt Kontur und Wert. Es büßt jeden kulturellen Wert ein, weil es aus der Warenwelt ausscheidet und in einen Naturzustand zurückgeht. Die Lebensformen, soweit wir das einschätzen können, setzen sich künftig nicht mehr nur aus den bisher als "natürlich" aufgefassten Bestanteilen ihrer Stoffwechsel zusammen, sondern bauen auch Verbindungen der organischen Chemie, also Verbindungen aus industriellen |
Prozessen
zur Herstellung von Kunststoffen -
basierend auf Erdöl und Siliziumverbindungen - in
ihre Zellen ein. (Weil dies am Plankton beobachtet
wurde, ist absehbar, dass diese Bestandteile in die
Nahrungskette gelangen.) Man kann also annehmen, dass die
Erdölprodukte zu ihrem Ursprung zurückkehren, denn Erdöl
ist ja erdgeschichtlich aus Meereslebewesen entstanden,
die in großen Massen isoliert und zwischen Ton- und
Sandschichten eingeschlossen wurden und sich unter hohen
Drücken im Lauf der Erdentwicklung chemisch verändert
haben. Die Nester, in die Vögel schon zuvor Kunststoffe und andere Produkte der industriellen Produktion eingebaut haben, sind nun ebenfalls neu zu bewerten und können als Modelle für improvisierte Behausungen und damit als Brücke zwischen Natur und Kultur betrachtet werden. Hierfür bieten alle verfügbaren Stoffe Potentiale einer Hybridisierung, welche die Evolution weitertreiben. Der Modellcharakter, den Teile der Installation haben, schließt auch eine symbolische Verbindung zwischen dem Gewebe, in dem die Fundstücke Brommas mechanisch eingesponnen sind, und dem biologischen Gewebe, das sich mit Molekülen aus Zivilisationsschrott anreichert, nicht aus. III. HYBRID ODER SCHÖPFERISCH? 1. Was ist aber das Hybride an dieser Ausstellung? Von Interesse für das Jahresthema des EINSTELLUNGSRAUMs ist es, dass die Ästhetik, die ja unsere Wahrnehmung der Dinge und daher auch die der Kunstgegenstände betrifft, hybrid ist. Sie wird nicht allein durch kultische und kunsthistorische Traditionen bestimmt, sondern funktioniert auch durch Umschichten und Neubewerten von Stoffen und Waren. Erheischten Gold und Edelsteine wegen ihres Glanzes und ihrer Beständigkeit schon immer größte Beachtung und Wertschätzung, so bietet heute die industrielle Produktion zahlreiche Materialien und Substanzen von großer Haltbarkeit und gleichermaßen hohem Wert an, der |
Die 03. Ausstellung im
Jahresprojekt HYBRID
des EINSTELLUNGSRAUM
e.V.
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Vernissage |
Gefördert von der Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg | |
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