derzeit nur wenige Anhänger und noch weniger Fürsprecher haben, weil die Entwicklung von Maschinen höhere Profite verspricht als die Ausbildung menschlicher Kompetenzen. Paradoxerweise führt aber die Konstruktion von Robotern dazu, dass Licht in diese Vorgänge gebracht wird. Darin liegt auf mittlere Sicht auch die Chance, die Fähigkeiten der Hände und ihr Zusammenspiel mit der sinnlichen Wahrnehmung besser verstehen zu können.

Schaut man die Zeichnung mit dem Titel „Unterau 26.7.08 14 Uhr 8°C Regen stürmisch“, genau an, so sieht man, dass der Sturzbach mit seinen Kaskaden in der Zeichnung zu einer Säule wird. Das Bild gibt einen dreidimensionalen Gegenstand wieder, der einer Wirbelsäule ähnelt. Weiße Höhungen an dieser Stelle bringen sogar die Materialität gebleichter Knochen hervor. In diesem Punkt zeigt sich die Krux dieses Verfahrens, das nicht nur die Plastizität des Sehens wiedergibt, sondern das Gesehene zugleich leiblichen Vorstellungen angleicht und damit den Ereignissen eine physisch nachvollziehbare Materialität gibt.


b. Abbildung und Abrieb / Mimesis und Erosion
IIn den Zeichnungen erkennt man auf Anhieb Mimetisches. So fallen auch in der oben beschriebenen Zeichnung die Silhouetten der Gebirgskämme oben im Bild auf, und wir erkennen sie als Hintergrund, der darauf hinweist, dass eine Gebirgslandschaft der Ausgangspunkt ist. Unterhalb dieser Konturen tauchen schriftähnliche Verläufe auf, die erkennen lassen, dass hier Sprachlichkeit gestreift wird und zeitliche Prozesse berührt werden. Weiterhin treten Lineaturen und Schraffuren hervor, die diagonal oder von oben nach unten durch das Bild führen. Beruecksichtigend was bisher gesagt wurde, werden die Auswir- kungen der Transportarbeit sichtbar, die durch Niederschlaege und Temperaturwechsel im Laufe der Jahreszeiten herbeigefuehrt wurden.
Das ist eine zweite Zeitebene der Zeichnungen. Die erste war ja die Wahrnehmung der Plastizität der Rinnsale, Wasserfälle, Bäche, die von den Hängen herabfließen oder nach Gewittern und im Frühjahr als Schlamm- und Gerölllawinen herabstürzen. Hier und da lösen sich auch Felsbrocken und reißen Bäume mit. Die zweite Ebene ist die Zeichnung selbst, denn der Zeichenstift, der diesem Prozess folgt, erodiert ja dabei selbst und bricht bisweilen ab oder zerbröselt, wenn Zeichenkohle oder Pastell verwendet wird.


c. geologische Veränderungen

Mit diesem Ansatz entzieht sich Schlafke den Idylledebatten. Die Werke hier sind dagegen eine sachliche Näherung an gegenwärtige Dinge, die auf den Ansätzen der Spurensicherung fußen, deren ganzheitliche und unironische Sicht von der zeitgenössischen Natur- und Gartenkunst übergangen wird. Es ist die ganzheitliche Sicht, die durch die Ökonomisierung der

Landschaft in Zeiten des Neoliberalismus ignoriert wird, in denen profitable Freizeitwerte und Unterhaltungsinteressen ökologische Aspekte zurückdrängen. Da aus der Sicht des Einstellungsraums Bremsen geboten ist, bleibt in dieser Ausstellung die Frage - auch an die Künstlerin -, warum gerade die Bewohner der Bergregionen, der ihr Interesse gilt, den Rasern und Straßenbegradigern unter den Politikern so große Sympathien entgegenbringen. Vielleicht drückt sich ja im Auseinanderstreben von „ZuWarten“ und tech- nisch-industrieller Entwicklung auch die Zerrissenheit aus, die in Phasen, in denen das Neue den Traditionen zuleibe rückt, die Menschen bedrängt.


III. Ein Abgrund wird geöffnet
Geologische Veränderungen sind wie andere natürliche Prozesse unangenehm, gefährlich, abgründig, unkontrollierbar und aggres- siv. Die Wirkmöglichkeiten der damit verbundenen Ereignisse - wie Erdbeben und Überschwemmungen - möchte man natürlich ausblenden, wenn man glaubt oder sich einredet, Risiken beherrschen zu können und nur die Dinge an sich heran kommen lassen möchte, die entspannend wirken. Um solche Bedürfnisse zu be- friedigen, orientiert sich ein Zweig der zeitgenössischen Land- schaftskunst an der Idee der Idylle, die eine Konstruktion von Landschaft sein kann, die schon die Katastrophe hinter sich gelassen hat, um in den antizipierten Trümmern Orte der Behag- lichkeit zu erkunden (vgl. der Verschlag in WALL-E*). Die Protagonisten der Idylle rufen die Natur auf, um sich in ihr den Spiegel vorzuhalten und darin ein Bild zu erkennen, das sie gerne hätten. Freilich wissen die Hersteller digitaler Landschafts- konstruktionen - sei es für Filme, Spiele oder Ausstellungen - um die Unbeherrschbarkeit der Natur, denn gerade deshalb suchen sie nach interessanten Oberflächen, die geeignet sind, das Unergründliche zu kaschieren. Selbst bei Google Earth dient die vermeintliche Authentizität dazu, ein Landschaftsbild zu verbreiten, das jedem das Bewusstsein gibt, ohne Kenntnis der Zusam- menhänge auf jeden Ort der Welt zugreifen zu können. Aus der Ferne des Alls bleiben aber die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort ohne Detailkenntnisse unerkannt. Während die kommerziell ausgerichteten Bildgebungsverfahren das Fragile, Abgründige und Bedrohliche zudecken, arbeitet sich Schlafke durch die Oberflächen - die durch Unregelmäßigkeiten für den Menschen gefahrvoll wirken können - um das innere Gerüst, das Skelett des labilen Gleichgewichts mit seinen Hebeln, offen zu legen. Dann zählen kurzfristige Interessen nicht viel, während die im Laufe von Jahrtausenden gemachten Erfahrungen wertvoll bleiben. In Zeiten der Gefahr ist es lebensrettend zu wissen, wo Erosionsvorgänge zu erwarten sind und wo die Berge abgetragen werden; denn es geht um den richtigen Platz, um vor den geologischen Bewegungen geschützt zu sein.
* Autor: Andrew Stanton, USA,  2008
http://de.wikipedia.org/wiki/WALL%C2%B7E_%E2%80%93_
Der_Letzte_r%C3%A4umt_die_Erde_auf

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