machen wie
bisher - ein Einstellung, die nicht nur offenkundig
irrational ist, sondern die zudem auch die Grundzüge
einer zyklischen Weltvorstellung aufweist, nicht die
einer linearen, worin sich die Schizophrenität unseres
kulturelen Selbstver- ständnisses offenbart.
Dem Jahresprogramm des EINSTELLUNGSRAUM „Sprit und Spirit“ entsprechend hat Bernhard Schwank sich in seinem aktuellen Werkkomplex vor allem auf die Aspekte der Automobilität und der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen konzentriert. Es werden Objekte gezeigt, die während der fiktiven „Fosyl canruun“-Zeremonie genutzt werden. Diese Zeremonie, die von den fiktiven, archaischen Völker Europas praktiziert wird, dient, ähnlich wie der nordamerikanische „Potlach“, dem sozialen und ökonomischen Austausch und Ausgleich sowie der Verehrung der „Fossilen Ahnen“. Dabei spielen die sog. „Libomi“-Figuren oder Ölgeister eine besondere Rolle. Durch sie wird der Beschleunigungsgott Libomi heraufbeschworen, der den Menschen in Form des Geschwindigkeitsrauschs transzendente Erlebnisse ermöglicht. Besonders auffällig ist eine aus einem Baumstumpf modellierte Libomi-Figur, aus deren Wurzelausläufern rot lackierte, phallische Tankpistolen hervor wuchern. Hier wird einerseits exemplarisch der irrationale Kult-Charakter des Autofahrens und seiner Begleiterscheinungen hervorgehoben sowie seine Assoziation mit männlicher Potenz, andererseits liefert diese Libomi-Figur durch die formelle Präsenz des Materials - nämlich Holz - einen gegenläufigen Subtext: Es werden keine Objekte ausgestellt, die eine akute Beschleunigung und Freisetzung von CO2 hervorrufen, sondern Objekte, die diese Beschleunigung nur in Form eines mystisch-rituellen Erlebnisses hervorrufen sollen, gleichzeitig aber Kohlenstoff binden, nicht freisetzen. So hat Bernhard Schwank ausgerechnet, daß das CO2, das in den Ausstellungsstücken gebunden ist, umgerechnet etwa der Ausstoß wäre, den er auf einer Strecke von 1300 km mit dem Auto freigesetzt hätte. |
Die Suprema-Ideogramm-Tafeln, die
sich der Ästhetik zeitgenössischer Piktogramme bedienen,
aber komplexere, gesellschaftliche Zusammenhänge
verbildlichen sollen, nutzen wiederum die
Unmittelbarkeit, mit der in archaischen Gesellschaften
die konzipierte Struktur und die akute Praxis zueinander
stehen. Während in unserer vorgeblich aufgeklärten und
rationalen Zivilisation stetig die wahren Absichten und
Beweggründe gesellschaftlicher Akteure beschönigt,
verschleiert oder geleugnet werden, und maßgebliche
wirtschaftliche und politische Motive wie die Habsucht
und Machtgier offiziell nicht zu existieren scheinen,
gibt es in zyklisch denkenden Gesellschaften diese
Trennung oder sogar den Widerspruch zwischen dem
Faktischen und dessen öffentlicher Präsentation nicht.
In diesem Sinne werden auf den Tafeln unverblümt
ökonomische und soziale Tatbestände in Ideogrammen
gebündelt, die weder die Obszönität noch die Albernheit
oder Naivität scheuen. Wir werden Zeugen der
sexualisierten Gewaltphantasien der „Alten weißen
Männer“. Wir werden hingewiesen auf Produkte aus
Mineralöl, die von vornherein für den Mülleimer
hergestellt werden, wie ein großer Teil der
schnelllebigen, sinnfreien Trendartikel aus Plastik,
gerne als Werbegeschenke verwendet, die in dem
vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht euphemisiert als
„Giveaways“, sondern unbeschönigt als „Throwaways“
bezeichnet werden. Und wir erkennen die hierarchischen
Systeme wieder, die die Kontrolle fossiler
Energiequellen als legitimen Grund für Kriege anführen.
In dem uns Bernhard Schwank unsere eigene Gesellschaft im Spiegel einer fiktiven archaisch-zyklischen Kultur vorführt, hat er nicht nur einen markant eigenständigen ästhetischen Weg gefunden. Er kann zudem höchst effektiv unsere durch den blinden Fleck versperrte Sicht auf die Irrationalität unserer Gesellschaft öffnen, gleichzeitig erschließt er uns die Aufrichtigkeit einer archaischen Denkstruktur, in der Ursachen und vorgebliche Gründe nicht auseinander driften, sondern eine ehrliche, wenn auch oft grausame Eindeutigkeit haben. Eine Eindeutigkeit die uns helfen kann, den Problemen, die uns tatsächlich bevorstehen, mit unverstelltem Blick zu begegnen. © Thomas Piesbergen / VG Wort , Mai 2020 |
Präsentation |
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Die
04. Ausstellung zum Jahresprogramm SPRIT und
SPIRIT des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2020
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Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek |