Tanja Hehmann:  Schaltkreise                                                                                                                                      09. - 31.08.2012
Auch die Bildtitel wie etwa Schmelzsicherung oder Lastpunktbalance spielen auf die physikalischen Vorgänge im ehemaligen Kraftwerk an und fügen gleichzeitig eine weitere Bedeutungsebene hinzu, die auch augenzwinkernd eine ironisch-gebrochene Perspektive eršffnen kann.

In diesen fragilen Bildwelten finden sich fast immer Figuren, die sich meistens alleine in diesen räumlichen Gebilden befinden. Sie bewegen sich als unsere Stellvertreter in Räumen, die beunruhigend und bizarr wirken und ihnen jeglichen Halt zu verweigern scheinen. Oft sind es Rückenfiguren oder auch nur Körperausschnitte. Und fast immer bleiben sie gesichtslos und anonym. Die Rückenfiguren als stille Beobachter sind als Rückgriff auf die identifikationsstiftende Motivik der Romantik zu verstehen. Hier sind es allerdings keine Naturlandschaften wie etwa in dem Werk von Caspar David Friedrich, sondern es ist der Blick auf die Industrieromantik des aus- gehenden 19. Jahrhunderts. Gleich ist aber die mystisch - melancholische, selbsthinterfragende Grundstimmung in den Arbeiten von Tanja Hehmann. Statt der Natur wird hier nun die Industriearchitektur zur Seelenlandschaft. Die Figuren konfrontieren uns dabei mit Fragen der eigenen Verortung, Entfremdung und Selbstbehauptung. Hehmanns Seelenlandschaften sind jedoch keine idyllischen
Orte der Sehnsucht: Diffuses Licht, kalt, fast grell,
dessen Quelle nicht auszumachen ist, verdichtet die Atmosphäre, die das beklemmende Gefühl verstärkt, sich an einem Ort zu befinden, der nicht mehr sicher ist.

In den Collagen sind die Figuren zum größten Teil passive Beobachter. In den rein malerischen Arbeiten treten die Figuren dann allerdings als  Schreitende den Balanceakt an, diese Räume aktiv zu entdecken, und geben uns das Gefühl, ihren Platz dort (zurück-) zu erobern - in einigen Bildern vielleicht noch etwas zögerlich tastend, in anderen dann aber selbstbewusst und zielstrebig. Sie übernehmen als unsere Stellvertreter für uns die riskanten  Wege in diesen brüchigen Bild-Realitäten und entdecken fiir uns die fiktiven Szenerien dieser entrückten, aber immer faszinierenden Orte.
Zu guter letzt ist Schalten und Walten natürlich auch als Redewendung zu verstehen: selbstbestimmt zu tun, oder zu lassen, was man will- oder eben auch nicht. Gerade fiir Künstler ist die künstlerische Freiheit das höchste Gut. Tanja Hehmann erzählte, dass das Schalten und Walten für sie der Idealzustand ist - damit meint sie zum einen die künstlerische Freiheit an sich, aber auch den Ort, an dem sie diese Freiheit ausüben kann, an dem sie schalten und walten kann - also in ihrem Atelier am Bullerdeich.
Die 06. Ausstellung im Jahresprogramm  Schalten und Walten des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek
back
      home