sind stereotyp: Um seine unbeugsame Männlichkeit zu demonstrieren, trägt er derzeit einen prächtigen Patriarchen-Vollbart, oder bereits den wieder am Modehimmel aufziehenden Schnurrbart. Er trägt Tätowierungen und Jack Wolfskin-Jacken, Messengerbags aus LKW-Plane und auf dem Kopf im Sommer einen Trilby, im Winter eine Wollmütze. An seiner Seite hat er zudem gerne als lebendiges Accessoire einen Hund. Ist der Individualist sportlich dann fährt er Rennrad, Skateboard oder geht Kite-Surfen.

Tatsächlich ist also das, was uns von den medialen Oberflächen als „individuell“ präsentiert wird, und was uns im Straßenbild im Überfluß und mit nur geringfügigen Variationen begegnet, ausgesprochen stark normiert. Dennoch scheint die Anpassung an diese stark normierte und falsch etikettierte Norm sehr effektiv gesellschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen.

Wie ist es nun faktisch um das heraufbeschworene unmittelbare Erleben der Gegenwart bestellt, um das Hier und Jetzt in dem uns das Rollen-Modell des zeitgenössischen Individua-listen präsentiert wird?
Hier genügt ein Blick auf den täglichen Umgang mit Mobiltelefon, Facebook und Instagramm und es wird deutlich: die Dokumentation des Erlebnisses und seine anschließende Aufbe-reitung und Präsentation legen sich heute schon so deutlich über das Erlebnis selbst, daß die akute Gegenwart dahinter weitgehend verschwindet. Ein Umstand, der inzwischen schon so sehr Allgemeinplatz geworden ist, dass man bereits als aus der Zeit gefallen erscheint, wenn man ihn anmerkt.

Wie steht es aber mit der Einbindung in die Gemeinschaft, mit dem Zugehörigkeitsgefühl? Denn, wenn das, was sich als Individualismus maskiert, nichts anderes ist als Konformität, fühlt sich der Einzelne dann nicht wenigstens geborgen im Kollektiv?

Die psychotherapeutische Praxis offenbart leider ein entgegengesetztes Bild. Die Psychologin Bettina Alberti stellt in ihrem Buch „Seelische Trümmer“ fest, daß in den 60er und 70er Jahren für Jugendliche die Peergroup noch der wichtigste Ort der Gemein-schaftserfahrung war; der Ort, an den man vor den Ausgrenzungserfahrungen in Familie und Schule flüchten konnte.
Heute hingegen stellt gerade die Peergroup den Ort dar, an dem sozialer Druck und Ausgrenzung erfahren wird. Durch die zahllosen Filter herkömmlicher und digitaler Medien ist das Bild des Menschen so idealisiert und verzerrt, dass es nahezu unmöglich ist, das Selbstbild damit in Deckung zu bringen, wodurch das Gefühl der Scham entsteht. Gleichzeitig wird eine völlig überzogene Erwartungshaltung gegenüber den Mitmenschen erzeugt. So entsteht einerseits das Gefühl, unzureichend zu sein, gleichzeitig richtet sich aber der Blick gnadenlos auf die Makel der anderen. Die Begegnung mit dem anderen wird zur beschämenden, isolierenden Konfrontation mit den eigenen und den fremden Unzu- länglichkeiten.

Als vorgeblicher Ausweg bieten sich in dieser Situation die sog. „sozialen“ Netzwerke an. Sie ermöglichen, das eigene Leben als eine optimierte, geupdatete 2.0-Version zu präsentieren, mit der man sich an eine soziale Öffentlichkeit wagen darf. Statt der sozialen Bestätigung durch ein positives gemeinsames Erleben füttert man sein Ego mit der Menge von „Likes“ und „Freundschaftsanfragen“.
Statt des Erlebens von Gemeinschaft, erlebt man also, gedeckt von einer digitalen Maske, die Begegnung mit anderen digitalen Masken in einer isolierten Situation am Interface, während unmittelbare soziale Kontakte als angstbehaftet, ungeschützt und unkontrollierbar empfunden werden. Indem der Mensch vor dem akuten sozialen Miteinander zurückschreckt und über den digitalen Weg Gemeinschaft sucht, entfernt er sich de facto von ihr und begibt sich in eine selbst-entfremdete psychische Isolation.

Diese soziale Atomisierung findet ihre Entsprechung in den neo-liberalen Tendenzen der Protagonisten der „Neuen Sozialen Marktwirtschaft“, die in der ersten Dekade des 21. Jhd. unter dem Schlagwort der „Ich-AG“ ihr soziales Konzept offenlegten: der Mensch als ein sozial isoliertes Produkt, reduziert auf seinen Marktwert.

Bleibt schließlich noch zu untersuchen, wie es um die Realität des Schlagworts Freiheit bestellt ist. Hier möchte ich zwei Aspekte der Freiheit beleuchten: Einerseits die Freiheit des Handelns und damit die Frage nach den Grenzen oder der Grenzenlosigkeit der Handlungsoptionen - das landläufige Verständnis von Freiheit.

Ein anderer Aspekt der Freiheit ist allerdings die Freiheit, von sich selbst nur so viel zu offenbaren, wie man möchte, also die Freiheit über die eigene Privatsphäre und über den

Präsentation
Vernissage
back
next
Gefördert von der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirksamt Wandsbek