"ver-stehen - eine Explosion findet statt, wenn ich
mit dem Kopf an die Decke stoße"

Installation von Doris Cordes-Vollert
Einstellungsraum, Hamburg, 17.11.2011, 19:00 Uhr


Sehr geehrte Damen und Herren,

die Beschäftigung mit der Kunst von Doris Cordes-Vollert ist für mich ein außerordentlich interessanter Prozess. Wie kann ich denn Worte finden für ein Werk, das, wie mir scheint, so recht gar keines sein will, eines, das sich um die Leere rankt?  Da  gibt es schon etwas zu sehen, zu berühren mit Augen, mit Sinnen. Also ein Werk, das ist es schon, für mich sogar ein beeindruckendes, ein feinsinniges, ein poetisches, mit einer Prise Humor und Sinn für‘s Absurde versetztes.
„Aber glücklich ist, ein objektloses Objekt kreiert zu haben“, so sagt sie selbst. Welche Worte kann ich finden, für ein solches Werk, das auch noch selbst Worte zum Inhalt hat?

Ich möchte ein kleines Erlebnis schildern, das mir Grund zur Hoffnung gab, als ich noch nach adäquaten Worten suchte.

Im Sommer habe ich meine „Höhle“, in der ich die Hälfte meines bisherigen Lebens zugebracht habe, verlassen und bin umgezogen. Nun sind alle Wege, zu den Dingen, die ich brauche, andere. Auch ein interessanter Prozess, bei dem man sich besser kennen lernen kann. Ärgere ich mich über die mangelnde Routine? Bin ich gelassen, weil jetzt alles etwas länger dauert? Entdecke ich Vergessenes wieder, oder noch nie wirklich Wahrgenommenes ganz neu? 
JJedenfalls war ich sicher, ein Buch von Doris zu haben und tauchte suchend ein in die vielfarbige Welt der Bücherrücken meiner geschrumpften Bibliothek - wobei ich ihren weiß vermutet hätte.
Dort müsste es stehen, meine Überlegung. Nein? Dann dort! Auch nicht? Hm! Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf: „Die Frau entzieht sich“, und ich kicherte. Nun griff ich zum dritten Mal in dieselbe Richtung nur einen Bücherrücken weiter nach links. Da war es - hellgrau, wie das Licht über der Lagune im Herbst - : „Spuren vor der Erinnerung“ (Venedig, 1988), direkt neben „Words don‘t come easy“ und Roland Barthes‘ Büchlein über Cy Twombly.
Ich fühlte mich ein bisschen wie Warburg und weil alles so schön passte, öffnete ich den Barthes und Seite 34 klappte auf. Dort stand (ich zitiere): „Es gibt aufgebrachte, besitzergreifende, dogmatische Malereien; sie stellen das Produkt hin und geben ihm die Tyrannei eines Begriffes oder die Gewalt einer Lüsternheit. Die Kunst von Twombly will nichts greifen.“

Danke für diese Koinzidenz!

Will die Kunst von Doris Cordes-Vollert etwas greifen? Ich glaube, es wäre ihr ein Gräuel. Wenn sie etwas ergreift, dann um es zu öffnen, es in Vibration zu versetzen, damit es nicht nur sichtbar, sondern spürbar wird und um die Dimensionen der Möglichkeiten aufscheinen zu lassen.

Bleiben wir bei den Wörtern, denn durch diese wird vorgegeben, etwas von Bestand und von präziser Aussage zu sein. Am Anfang war das Wort und ziemlich schnell wurde daraus das Gesetz! Du sollst, Du musst, Du darfst nicht! Doch der Sinn des Wortes ist im Grunde nur eine Einigung. Wir, aus einem Kulturkreis haben uns darauf geeinigt. In einem anderen Kulturkreis gibt es andere 
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Die 10. Ausstellung im Jahresprojekt  Autos fahren keine Treppen  des EINSTELLUNGSRAUM e.V.

Vernissage
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg