So zieht es auch sie immer wieder magisch an diesen der Zivilisation so diametral entgegengesetzten, gefährlichen Ort der Extreme.  Und sie steht damit in einer langen, berühmten Tradition der Italien reisenden Künstler und Naturforscher, um nur Goethe, Tischbein und Alexander von Humboldt zu nennen.  Der Vulkan als Bild zwischen Außen und Innen, zeigt Spannungen und Verspannungen im Erdinneren, die plötzlich unkontrolliert in einer Eruption ausbrechen und sich entladen können.
Der Vulkan, diese unberechenbare erhabene Naturgewalt mit dem Feuer, der Hölle im Erdinneren steht einerseits für Naturzerstörung, Katastrophen - man denke an die Zerstörung von Pompeji und Herkulaneum 79 n. Chr. -, ist andererseits aber von unglaublicher Schönheit.
Dieses gewaltige Naturschauspiel, dieses Faszinosum, Schönheit angesichts der Gefahr, wurde uns beim letzten Ausbruch des Ätnas ja mediengerecht ins Haus serviert.
Karl Marx formuliert schließlich in seiner Politischen Ökonomie: "Wo bleibt Vulkan gegen Roberts und Co., Jupiter gegen den Blitzableiter und Hermes gegen das crédit mobilier?" Im weiteren historischen Verlauf schließlich deklassiert man die Götter zu Werbeträgern auf den Plakaten der Elektrizitätsindustrie.
Ob aber der Balanceakt der Befreiung aus der Macht der Natur durch Naturwissenschaft und Aufklärung gelungen ist und wir wirklich durch Fortschritt und Technik auf der sicheren Seite sind, dieser Frage geht Ina Schlafke nach.

Die vesuvische Landschaft gilt aber auch als Sitz der tellurischen Gottheiten der Unterwelt und des Todes.  In diesen Welten walten chtonische, untergründige, unbewusste Kräfte anderer Art.  In solch eine Unterwelt führt uns Waltraut Kiessner's im Keller befindliche Arbeit, die einen Balanceakt anderer Art zeigt.
Ihre Installation verteilt sich auf zwei Räume, die jedoch zusammen verstanden werden wollen.
In dem hellen steht in der Mitte eine Glasvitrine auf weißen Beinen, an der Stirnwand prangen zwei Parabolspiegel wie riesige magische Augen. 
In der Vitrine liegen Gegenstände, penibel sortiert und auf Albenblättern mit Umrandung, die den Ordnungs- gedanken verstärken, archiviert.  Eine Entdeckungsreise beginnt: Man erkennt das umgedrehte Spielbrett des Hütchenspieles, vor dem ein rotes und ein schwarzes Hütchen soldatisch aufgereiht stehen.  Durch die Löcher des Brettrasters schim- mern Figurenfragmente, die man ebenfalls sofort, - wenn auch mit gemischten Gefühlen - identifiziert: 'Struwwelpeter',  ‘Suppen-Kaspar' und 'Daumenlutscher', die Horrorfiguren
einer Abrichtungspädagogik des 19.  Jahrhunderts aus Heinrich Hoffmanns Kinderbuch.  Da ist sie, diese Welt der Ge- und Verbote, der Gesetze und Normen.  Und immer wieder tauchen auch Schablonen auf, Stickschablonen, Aufbügelmuster. Man ahnt, das Spiel schwankt zwischen Lust- und Lernprinzip, es könnte kippen und bitterer Ernst werden.
Daneben gruppieren sich Objekte, die sich mit Figuren, Silhouetten in verschiedenen Formen und Ausführungen beschäftigen.  Auf einer Postkarte ist ein Heiligenschrein mit einem ,Fatschnkindl' zu sehen, das eingeengt, bewegungs- unfähig durch dieses Wickelpolster ist.  Aus einer Folie eines Fotonegativs, das einen der offiziellen Momente des Lebens wie Taufe, Hochzeit, Geburtstag, Tod festhält, ist die Figur ausgeschnitten und die Lücke mit einer weißen Bindermasse ausgegossen, sie taucht nun als weiße anonyme Silhouette wieder auf.
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