Jahrhundert und
psychophysischen und psychoanalytischen Gesichts-
punkten in Angriff zu nehmen. Ich betone das heute,
weil ich mich als junger Kunsthistoriker mit den
Auswirkungen der Attraktion herum- schlagen musste,
die dieser Ansatz hatte und vielleicht auch noch hat.
Doch inzwischen haben sich in einer von Männern
dominierten Kunstszene die Verhältnisse durch die
Präsenz zahlreicher Künstlerinnen und Forscherinnen
verändert, womit auch die Schwerpunkte verschoben
wurden. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die
Maschinenmodelle von Marcel Duchamp und Francis
Picabia grundlegend sind. Ich meine das im Sinne ihrer
Modellhaftigkeit, weshalb sie auch im Sinne von
Deleuze/Guattari als psychische Maschinen angesprochen
werden können. Im Übrigen generieren ja
Ingenieurinnen, Naturwissenschaftlerinnen wie auch
Künstlerinnen ständig neue Entwürfe unserer
psychischen Verfasstheit.
War die ohne Mutter geborene Tochter - also die Maschine, welche mit eigenem Antrieb ihre Produktionsstätte verlassen konnte - ein von maennlicher Seite inspiriertes Faszinosum der Surrealisten, so geht es heute vielleicht im Sinne von Judith Buttler (Bodies that Matter, New York 1993/ dt.: Körper von Gewicht, Frankf./M 1997, S. 24ff.) mehr um den Prozess der Materialisierung, der weder dem Natürlichen noch dem Sozialen einen Vorzug (S. 32) bei der Formgebung einräumt, welche auch Geschlechterkonstruktionen sein können. Buttlers Untersuchung muss nämlich nicht auf dieses Feld beschränkt bleiben, sondern kann auch auf andere morphologischen Prozesse übertragen werden. 5. Wie erscheint der Gedankenblitz im Raum? Abschließend möchte ich die Aufmerksamkeit noch einmal auf das Arbeiten mit Modellen, die Konstruktionen einer 5. Dimension und das Bremsen richten. Wie entsteht ein Modell? Aus welchem Anlass entsteht es? Wie kommt die Vorstellung von etwas auf ein Blatt Papier oder in den Raum? Wie schlägt sich der Schatten des Denkens und Vorstellens auf einer Seite nieder? Und von was überhaupt ist es der Schatten, der |
sich auf einer Fläche
niederschlägt? Muss es überhaupt eine Fläche sein?
Vielleicht werfen die Werke auch keine Schatten, wie die
Headline der 5. Berliner Biennale der Bildenden Kunst
„When Things Cast no Shadow“ behauptet. Mal angenommen, es handelt sich um einen Gedankenblitz, um eine Vorstellung, die wie im Traum mit rasender Geschwindigkeit vonstatten geht, mit der die Synapsen – also die Verbindungen zwischen den Zellen des Gehirns – feuern, dann muss jede Arbeit mit dem Zeichenstift als eine Bremsleistung verstanden werden. Wenn also eine Zeichnerin, ob Künstlerin, Ingenieurin, Erfinderin oder Wissenschaftlerin, eine Idee zu Papier oder auf den Bildschirm bringt, dann wird dieser kurze intuitive Moment also unendlich ausgedehnt, er wird gestreckt, und man kann auch sagen, er wird gebremst, weil der Durchlauf der Nervimpulse, der zur komplexen Bewegung einer Hand fuehrt, laenger dauert. Ein Gedankenblitz ist ja vielleicht auch nicht einmal ein Bild, sondern ein Impuls, der von einem Menschen, der bildnerisch denkt, als ein Bild interpretiert wird, während Musiker oder Wissenschaftler etwa ganz andere Schlussfolgerungen aus einer Idee ziehen würden. Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass es eine plastische Arbeit ist, wenn Gedanken oder Ideen in Form einer Zeichnung oder eines Modells niedergelegt werden. Um also zum Modell zu kommen, gehe ich an dieser Stelle erst einmal einen Umweg über die Zeichnung. Bei der Gestaltung einer Zeichnung haben wir es schon mal mit einer Konvention zu tun. Nicht alle können ihre Gedanken so niederlegen, es gibt viele Menschen, die schreiben ihre Träume vielleicht lieber in Worten, Noten oder in mathematischen Formeln auf. Damit das Geschriebene mitteilbar wird, müssen die Regeln der jeweiligen Sprache bekannt sein und beherrscht werden. Nicht anders ist es mit Zeichnungen: Sie verständlich anzufertigen erfordert die Kenntnis von Regeln etwa diejenigen der Perspektive, oder bei technischen Zeichnungen die Kenntnis der Funktionen elektronischer Bauteile und ihrer Symbole. Nicht anders in der Architektur. Der Bauplan erfordert die maßstabgerechten Angaben von Größenverhältnissen, die Parameter und Belastbarkeit von Baustoffen etc. ehe die Vorstellungen von Räumlichkeiten konkretisiert werden können. Im Sinne des surrealistischen Automatismus kann eine Form |
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Konzepttext
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