Almut Grypstra, 2008

 
Ich konstruiere Maschinen und baue Objekte, die auf Situationen reagieren.

Den Antrieb meiner künstlerischen Arbeit bildet der Versuch, mir ein eigenes Bild von meiner Umgebung zu schaffen. Ich lenke meine Aufmerksamkeit auf unscheinbare oder seltsame Merkmale eines Raumes oder eines Materials. Meine Wahrnehmung selektiert ganz subjektiv in wichtige und unwichtige Eindrücke. Ich möchte die hierarchische Einteilung in bedeutende und unwesentliche Informationen damit aufbrechen, dass ich die Nebensächlichkeiten in den Mittelpunkt stelle. Anschließend suche ich Möglichkeiten diese Eindrücke zu transportieren, indem ich ungewöhnliche Verknüpfungen suche. Am Anfang meines Arbeitsprozesses steht also die Entdeckung des schon Gegebenen. So beobachte und erforsche ich die Gegebenheiten eines Ortes oder auch die schon vorhandenen Merkmale und Eigenschaften eines bestimmten Materials.

Meine Beobachtungen halte ich in Zeichnungen fest. Die Zeichnung bildet für mich die Möglichkeit, das Nicht-Offensichtliche besser wahrzunehmen. Wenn ich einen Ort kartiere, oder einen Raum zeichne, entdecke ich Nebensächlichkeiten, die auf den ersten Blick verborgen bleiben. Genau diese Nebensächlichkeiten faszinieren mich.
Aus den Entdeckungen, die ich in den Zeichnungen mache, entstehen Ideen für Objekte und Maschinen. Ich entwickele Arbeiten, die auf Kleinigkeiten, wie eine Steckdose, oder einen seltsamen Riss in einer Wand reagieren.
 
Ein häufig wiederkehrendes Element meiner Arbeit bilden Maschinen. Motoren setzen Elemente in Bewegung, die damit ein Eigenleben zu gewinnen scheinen. Meine Maschinen stehen in
direktem Zusammenhang mit ihrer Umgebung. Während einige Objekte Produkte erzeugen, die von der Umgebung beeinflusst sind oder sich mit der Umgebung zu einem neuen Ganzen verbinden, stehen andere Objekte nur durch ihre auf die Umgebung gerichtete Bewegung mit dem umgebenden Raum in Wechselwirkung.

Die Maschinen entziehen sich dem Zwang zur Produktivität. Werden Produkte erzeugt, so bleiben diese flüchtig in Form von Gas und Wassertropfen, und haben ausser ihrer Funktion als Skulpturen keine weiteren Aufgaben. Organische Formen und der Natur entlehnte Strukturen geben einigen Objekten ein hybrides Aussehen. Diese scheinen Zwitter zwischen Natur und Technik zu sein.
Anders als in der Kinetischen Kunst der 20er bis 60er Jahre ist der Kontext, in dem meine Arbeiten entstehen, der einer digitalisierten Welt, in der kaum noch Produktionsabläufe sichtbar werden. Maschinen und Arbeiter werden ersetzt durch Chips, die die Produktion steuern. Die Wahrnehmung von Maschinen spielt so auch immer mit dem Moment der Überraschung und dem Zitat einer vergangen Epoche. Es geht mir nicht darum, die Vergangenheit in irgendeiner Form der Gegenwart vorzuziehen, oder die "gute alte Zeit" zu beschwören. Vielmehr entsteht für mich erst durch den Wechsel des Blickpunktes hin zu einer vergangenen Epoche ein neuer Standpunkt, der einen Blick auf die Gegenwart ermöglicht.


Hier noch eine Notiz aus meinen Aufzeichnungen (unüberarbeitet und unzensiert):
Gedanken, die sich noch nirgendwo einsortieren lassen:

Was ist eine gute Skulptur? Skulptur, die nur glatte, organische oder haptisch interessante Formen aus den 50er Jahren nachahmt ist unheimlich blöde. Ich will keine Pfarrgartenskulpturen bauen, will nicht völlig harmlose, langweilige nette Formen herstellen. Ich will bei meinem rohen, schrägen Material bleiben und Dinge erzeugen, die nicht nur hübsch sind. Es darf Brüche geben, es darf Schwierigkeiten geben. Ich will "Gebastelt" als Optik erreichen, aber so dass es funktioniert. Ich will nicht einfach immer wieder alles wiederholen.
Es darf störrisch sein.

 
Einführungsrede: J.L.Schroeder

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