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             2.
                Modelle der 5. Dimension 
             Das Motiv der Einladungskarte
                  ist von einer Collage reproduziert, die aus
                  Versatzstücken von technischen Zeichnungen besteht.
                  Gryprtra verwendet sie wegen ihrer ästhetischen Reize
                  aber auch wegen der Paradoxe, die im Sinne
                  surrealistischer Bildfindungen eben durch neue
                  Anordnungen verstärkt werden. Solche Zeichnungen
                  stellen oft dynamische Vorgänge dar, die aber, da sie
                  zeichnerisch auf einem Blatt zweidimensional umgesetzt
                  sind, notwendigerweise unbewegt bleiben, also einen
                  angehalten Zustand darstellen.  
              Damit kommen wir schlagartig
                  in die Nähe des Jahresthemas des EINSTELLUNGSRAUM:
                  Bremsen. Dazu muss angemerkt werden, dass es beim
                  Bremsen gar nicht darum geht, etwas still zu stellen,
                  sondern es zu verlangsamen. Das Anhalten stellt
                  lediglich einen Spezialfall der Verlangsamung dar, wie
                  auch die Unbeweglichkeit einer Zeichnung eben nur ein
                  Hilfsmittel ist, um flüchtige Dinge oder schnelle
                  Veränderungen zu betrachten; denn eine Zeichnung ist
                  ja immer durch die Bewegungen einer Urheberin erzeugt
                  worden. Das Produkt ist das Ende der Bewegungen und
                  könnte auch als ein Modell von Bewegungen gelesen
                  werden, die etwa auf einem Blatt niedergelegt worden
                  sind.  
              Grypstra arbeitet mit Modellen
                  - wobei selten beachtet wird, dass Modelle ähnlich wie
                  perspektivische Zeichnungen symbolische Formen sein
                  können. Stellt die perspektivische Darstellung in der
                  zweiten Dimension die dritte - den Raum - dar, so kann
                  man folgern, dass ein räumliches Modell die vierte
                  Dimension - die Zeit - veranschaulicht. Das steigert
                  sich ein weiteres Mal, wenn es sich um ein
                  kinetisches, also bewegliches, Modell handelt, das
                  somit die 5. Dimension als symbolische Form abgebildet
                  enthalten könnte.  
              Es gib also ein Wechselspiel
                  zwischen der Dynamik und der Statik, das im Modell
                  entweder verstärkt oder abgeschwächt wird. Die
                  Bewegung wird zur Ruhe gebracht oder die Bewegung
                  dominiert das Geschehen im Hinblick auf die
                  Darstellung einer fünften Dimension, die wir uns schon
                  nicht mehr vorstellen können. Worauf wir uns hier
                  vielleicht einigen könnten, ist die Anstrengung, die
                  zu unternehmen ist, um die Ausstellung als einen
                  Versuch zu verstehen, in die Installation 
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          eine
              zeitliche Ebene einzuziehen, die als ein Modell der 5.
              Dimension
              interpretiert werden kann.  (Weiter dazu im 5. Punkt.) 3. Ein Aspekt von Wirtschaftlichkeit Was die
                  Funktionalität von Modellen angeht, unterläuft
                  Grypstra ingenieurmäßige Ansprüche. Das verwundert
                  nicht einmal, denn sie ist Künstlerin. Wenngleich das
                  weder heißt, dass sie frei von wirtschaftlichen
                  Überlegungen noch ohne Sorgfalt wäre. Die Einfach-
                  heit und die Verwendung von Abfallmaterial ist sehr
                  wohl wirt- schaftlich motiviert, obwohl deswegen keine
                  Abstriche an der Präzision gemacht werden müssen. Aber
                  es bleibt dabei: ihr Augenmerk ist auf künstlerische
                  und kulturelle Funktionen der Maschine gerichtet, die
                  so ausgeklügelt sind, dass sie der Anschauung dienen,
                  ohne dass sie einen profitorientierten Nutzen abwerfen
                  würden. Das bringt Grypstra in die Nähe zur
                  Grundlagenforschung, wo im Einklang mit künstlerischen
                  Findungen aber mit unglaublich viel aufwendigeren und
                  hochtechnologischen Mitteln Vorgänge ausgelöst werden,
                  deren Ergebnisse noch niemand kennt. Damit befinden
                  wir uns an zwei Enden einer Skala von
                  Unwirtschaftlichkeit, die von kostspielig bis günstig
                  reicht. Kunst und Naturwissenschaften arbeiten wohl
                  weiter an der Erweiterung der Sicht der Welt aber eben
                  mit verschiedenen Methoden und in unter- schiedlichen
                  Sprachen. Berührungspunkte ergeben sich hier auch im
                  Bereich der Visualisierung: Während sich
                  Naturwissenschaftler aus den Bildsprachen der Künstler
                  bedienen, lernen im Gegenzug Künstler die Sprache der
                  technischen Bilder zu beherrschen. Als Spezialisten
                  können letztere aber Neues aus der breiten
                  historischen Palette der plastisch-bildnerischen
                  Möglichkeiten hervorbringen. 
               4. Im Verhältnis zu Junggesellenmaschinen Wichtig für die Arbeit von Grypstra ist deshalb auch der Zeitpunkt - die Gegenwart, in welcher ihre Arbeiten technologisch etwas anachronistisch erscheinen. Aus der Jetztzeit – wir befinden uns am Anfang des 21. Jhdts. – betrachtet, liegt eine andere Einstellung vor, als die, mit der sich Harald Szeemann auf Michel Carrouges bezogen hat, als Ersterer seine Ausstellung über die Junggesellenmaschinen zusammenstellte, um die Auseinandersetzung mit Maschinen im 20.  | 
        
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          Konzepttext
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