Alles im Fluss? Eine Reflektion

tigungen werden wie unter Augias meistens der Umwelt und den vor Ort lebenden Menschen aufgebürdet.

An dieser Stelle trifft sich das Triebhafte mit den Ressourcen. Wir sprechen deshalb vom „Hunger nach Rohstoffen“. Und das Fressen und Verzehren wird ja nicht nur als Charakteristikum von Lebewesen gesehen, sondern wie wir hören, „fressen“ auch Maschinen „Ressourcen“ und „saufen Kraftstoff“. Mit den Maschinen und ihrer Nutzung taucht das Raubtierhafte, das aus der gebändigten Natur eliminiert wurde, aus der Mitte der Zivilisation wieder auf. Das Martialische, das die Technik freigesetzt hat, wird durch die rücksichtslose Suche nach Rohstoffen und ihrer Ausbeutung begleitet, denn es dient der Fütterung der Produkte, welche die Menschen mit Stolz erfüllen: Maschinen, Autos und Geräte. Man sucht die Lagerstätten der Rohstoffe wie die letzten Bären, die noch ein Schaf reißen könnten oder den letzten Wolf, der ebenfalls als Fresskonkurrent angesehen und gejagt wird. Das eigentlich Zweckdienliche schlägt um in die Bereitschaft zu Opfern.



V. „Die Quelle ist tot“

Am 19. Sept. traten die  BP-Manager vor die Mikrofone und meldeten: „Die Quelle ist tot.“ so berichteten es die Nachrichtenagenturen, und man muss sich doch fragen, welcher merkwürdige Sieg hier gefeiert wurde,  nachdem wie bei einer Jagd am Schluss: „Sau tot!“ geblasen wurde
.13  Dieses Kommuniqué hört sich wie ein Abschluss an, der keiner ist; denn 25.000 Helfer reinigen weiterhin 1.000 km Strand, und die Küstenwache fahndet noch nach den im Meer treibenden tödlichen Ölschwaden, denn nur ein Teil der vermutlich 700.000t Öl ist durch die bisherigen Maßnahmen (Ver- brennen und Auffangen) und natürliche Vorgänge (Verdunstung und Bakterien) aus dem Golf von Mexiko entfernt worden.

Während der Dauer der Katastrophe begleitete der Ölkonzern BP seine 

verzweifelten Versuche mit einem Getöse, das die improvisierten Aktionen einer überforderten Konzernführung übertönen sollte. Mit den schon genannten Labels versuchte man, Stärke zu zeigen und Souveränität vorzutäuschen.14 Zwar lässt sich einwenden, dass „to kill“ in der amerikanischen Umgangssprache auch für abschalten und ausschalten gebraucht wird, doch stützt das eher die Vermutung, dass hier eine Kriegersprache die Menschen an die Gewaltsamkeit gewöhnen und den Schurken wie einen Zeremonienmeister erscheinen lassen soll.

Worum aber geht es BP letztlich, wenn Begriffe wie „Top Kill“ lanciert werden und zuletzt beim Verschließen der Ölblase unter dem Meeresboden in 5000 m Tiefe von „Bottom Kill“ die Rede ist? Was versprechen sich die PR-Leute davon, BP die Sprache eines Rambo zu verleihen, wenn der Konzern Maschinen Beton, Schlamm, Tennisbälle, Gummischredder und andere Stoffe in das Bohrloch schießen lässt?

Mit „Top Hat“, „Top Kill“ und „Bottom Kill“ baute man eine Begriffskulisse auf, die einschüchternd wirken sollte und BP als einen Superhelden erscheinen lässt, der mit seinen Bohrungen und Schläuchen die Erde penetriert und einen Planeten, dessen Eigenschaften dem Konzern die Bilanz verhagelt hat, bestraft, indem er ihm den Hintern (Bottom) versohlt. Diese Sprache bezieht sich auf die archaische Leibmetaphorik der Erde15, die eine archaische Vorstellung ist, die in allen Kulturen eine Rolle spielt und gerade auch die Metaphern hervorgebracht hat, mit welchen die unterirdische Existenz der Bodenschätze in Erzadern und Wasseradern bedeutet wird und die Leonardos Darstellungen der Explosionen der Wasseradern in den Bergen bestimmt hat.  

In diesem Sinne wird die Erde weiterhin als profitspendendes Vorratsgefäß betrachtete, gegen die man sich anmaßt, mit Brachialgewalt vorzugehen, wenn die Ausbeutungsmechanismen nicht so greifen, wie man es möchte. Außerdem werden die Bodenschätze nicht nur ausgebeutet, sondern die ausgeräumten Minen werden zunehmend mit Abfällen aufgefüllt.

13 Diese Meldung wurde beim Verfassen des Textes nach dem mündlichen Vortrag eingearbeitet, greift aber nicht der Antwort auf die Frage zum Abschluss des Vortrags am 16. Sept. vor, die im Folgenden beantwortet werden soll.
14 Der Ingenieur Robert Bea kritisierte die Politik der Konzerne, die seit den 1980ern nur noch auf steigende Aktienkurse und Profite setzen und kontinuierlich Ingenieurswissen ausgelagert haben. http://www.stern.de/wissen/natur/experte-zu-tiefseebohrungen-das-risiko-wurde-unterschaetzt-1571598.html (10.09.2010)
15 Horst Bredekamp: Die Erde als Lebewesen, in: kritische berichte (Gießen) 9,1981, Heft 4/5, S. 5-37.
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