weiß
wie die Unschuld, weiß wie die Fahne der Kapitulation, weiß
wie unbeschriebene Blätter. Wir sehen vor uns ein Bild der
vollständigen ökonomischen Abschöpfung entindividualisierter
Objekte im Netz der digitalen Konzerne, die selbst stets
darum bemüht sind, sich durch „white-Washing“ eine weiße
Weste zu verschaffen. Ganz im Gegensatz dazu sehen wir im Keller, im verborgenen Untergrund, fünf Köpfe aus schwarzem Samt vor dunklem Hintergrund, kaum sichtbar und stellvertretend für die Big Five, die fünf größten Digitalkonzerne: Apple, Alphabet, Meta, Amazon und Microsoft. Sie sind verbunden mit einem gewaltigen roten Schalter. Doch wozu der Schalter dient bleibt unklar, genauso wie es unklar bleibt, ob das Deaktivieren von Cookies und Trackern per Mausklick tatsächlich stattfindet oder nur eine vordergründige Beschwichtigung unseres Misstrauens ist. Dieser plakativen Opposition von Schwarz und Weiß ist eine weitere Bedeutungssphäre beigestellt, die sich der Plakativität verweigert und dem schnellen Zugriff entzieht. Es sind Malereien in der Tradition des Abstrakten Expressionismus, in denen die Intuition für das Gleichgewicht von spontaner, körperlicher Geste und Gestaltungsabsicht sorgt. Während die reduzierten visuellen Metaphern der Installation ganz und gar dem Logos und dem Kalkül entspringen, befinden wir uns mit den Malereien im Reich des Gefühls, durch das sich unser Unterbewusstsein der erlebten Gegenwart einschreiben kann. Und genau diese Dimension unseres Daseins, die Existenz, die durch spontanes, autonomes Handeln ins Sein tritt, bleibt dem Zugriff digitaler Agenten unzugänglich, denn ihr maßgebliches Charakteristikum ist eben nicht die Transparenz, sondern, wie David Gelernter es beschreibt, das Dunkle und Verborgene, in dem die Körpererinnerungen Dinge miteinander verknüpfen, die disparat erscheinen, aber für uns zueinander gehören, weil sie sich einen emotionalen Zusammenhang teilen. |
Ergänzt werden
die Bilder, die in langen und oft unterbrochenen, also
chronologisch komplexen Malprozessen entstehen, durch
Schlagworte, erratische Zeilen, die ebenfalls keine
Eindeutigkeit erzeugen. Auf dem Bild „Dream Machine“ sehen wir immer wieder die Buchstaben „OK“, als riefe sie jemand aus dem Inneren eines grau-weißen Dickichts. Wenn wir, wie Gelernter es vorschlägt, das unterste, träumende Drittel des Spektrum unseres Geistes als den Ort begreifen, in dem unsere emotionalen Körperkartierungen die mit ihnen verknüpften Bilder aus der wahrgenommenen und erinnerten Außenwelt neu in Bezug setzen, wir uns im Traum also ganz und gar der, wie Nietzsche es sagt, größeren Vernunft unserer Leiber überlassen, können wir das wiederholte „OK“ als die Bejahung des körperlichen, leiblichen Seins lesen, so wie Nietzsches Übermensch erkennt, dass es keinen vom Körper gelösten Geist gibt und deshalb alle physische Existenz unbeschränkt anzuerkennen ist. Das bedeutet natürlich auch, ex tacendum, daß es keinen Geist ohne Körper geben kann, also auch kein Maschinenbewusstsein, wie es der Transhumanismus antizipiert, und demzufolge keine tatsächlich autonome KI. Auf einem anderen Bild lesen wir neben einer Form, die man als Gekreuzigten interpretieren kann: „They force me to die, I´m innocent!“ Im Gegensatz zu den in Netzen gefangenen, weißen Gehirnen und deren Konnotation der Unschuld sehen wir hier den Aufschrei vor einem vielschichtigen, grauen Hintergrund, in dem sich nicht nur Schwarz und Weiß, sondern etliche andere Farben gemischt haben. Vielleicht ließe es sich lesen als den Protest einer Existenz, die auf ihrer Uneindeutigkeit, ihre Vielschich-tigkeit beharrt und deshalb unerwünscht ist, da sie sich der widerstandslosen Verwertbarkeit entzieht und in ihrer Behauptung der Unschuld die Existenz aller inkonsumerablen Zwischentöne bejaht. Schließlich sehen wir auf einem dritten Bild über die deutlich organisch anmu- |
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