Rede von Hajo Schiff (Sprechfassung) zur Einführung der Ausstellung
Belüftung von Heiko Wommelsdorf im EINSTELLUNGSRAUM. 04.02.2015, 19h

#

Hallo! …  Meine Damen und Herren, es geht um Aufmerksamkeit!

Immer geht es um nur Aufmerksamkeit. Gleich ob Ihre internet-Spuren ausgewertet werden oder Zeitungen balkendick schreiende Überschriften drucken, gleich ob so jemand wie Putin unglaubliches Zeug schwatzt oder vernachlässigte Kindersoldaten im Namen einer unschönen Religion Leuten den Kopf abhacken, jene Kinder, denen vorher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Nun könnte ich zwar über die aus den Fugen geratene Weltpolitik psycho-logisieren, aber es geht ja um Aufmerksamkeit. Und ich muss mir ja auch Ihre Aufmerksamkeit erhalten. Und ich will ja darüber hinaus  ihre Aufmerksamkeit auf jemand anders, auf Heiko Wommelsdorf richten. Wobei es ihm viel lieber ist, die Aufmerksamkeit richtet sich auf seine Arbeit. Und bei der geht es vorwiegend um Klang. Und um Raum. Aber das hängt sowieso direkt zusammen.

Das Jahresthema des Einstellungsraums ist SOUND. Es geht also diesmal nicht um Augenfutter oder gehirnschmalsfette Konzepte. Die Aufmerksamkeit soll zu dem geschärft werden, was wir um die Ohren haben. Nun ist der Hörsinn zwar der einzige, den wir nicht abschalten können, auch nicht, wenn Geräusche nerven. Aber der Hörsinn funktioniert nicht so ganz autonom, die anderen Sinne steuern ihn mit. Und vor allem steuert das Gehirn und das Vorwissen die Wahrnehmungsschwelle.  Was den einen Lärm, ist den anderen „Neue Musik“. Während die einen aufwachen, wenn ein Blatt zu Boden fällt, sind es andere gewohnt, sich auch durch deutlichen Verkehrslärm nicht im Schlaf stören zu lassen.

„Wo Geräusch auf der Gassen ist, da gehe fürbaß“. Diese Empfehlung des Wandsbeker Dichters Matthias Claudius hat die Gruppe um den EINSTELLUNGSRAUM zum Jahres-Motto gewählt. Allerdings ist das heutzutage gar nicht so einfach. Unser alltäglicher Lärm, unsere Gewöhnung daran, würde den alten Journalisten-Dichter vermutlich in den Wahnsinn treiben. Denn nicht nur unvermeidbare Lärmquellen sind allgegenwärtig, Geräusch wird oft gezielt eingesetzt: Kinder dominieren mit Geschrei, Halbwüchsige und Nie-Erwachsene mit wummernder Musik, Blaskapellen  oder Dudelsäcken. Die subkulturelle Raum-Nahme erfolgt geradezu primär durch Sound. Es artikulieren sich unüberhörbar folkloristische Minderheiten vom Heimatlied bis zum Türkenbeat.

Stille hingegen wird inzwischen eher als ein irritierender Mangel, als eine positive Qualität wahrgenommen.
„Die Vergangenheit war eine einzige Stille. Im 19. Jahrhundert entstand mit der Erfindung der Maschinen das Geräusch. Heutzutage herrscht das Geräusch unumschränkt über die menschliche Empfindung.“  Das schreibt der italienische autodidaktische Klangkünstler Luigi Roussolo 1913 in „L’arte di Rumori“, einem der futuristischen Manifeste. Anders als man es heute heraushören würde, war dies damals uneingeschränkt positiv gemeint. Die Futuristen vergötterten geradezu die vielfach überlagerten Geräusche und Bildeindrücke, sie schätzten den Lärm, bis hin zum Kriegsgedonner in einem aus heutiger Sicht geradezu menschen-verachtenden Ausmaß. 
Jener Luigi Roussolo baute  zu jener Zeit auch sogenannte „Intonarumori“ (etwa übersetzt: Geräuschtöner). Es waren seltsame Kästen und Trichter mit allerdings mechanischen Lärmquellen. Sie wurden zu ganzen Orchestern zusammengestellt. Und einige davon hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit dem, was hier in diesen Raum geraten ist – auch wenn das hier eine ganz andere Herkunft hat.

Diese hier neu angebrachten Abluft-Nasen sind Industrie-übliche Teile von Lüftungsanlagen. Nun ist es zwar nicht immer möglich, hier im Einstellungsraum durch Öffnen der Tür zu lüften, dazu ist die Wandsbeker Chaussee zu laut, aber ein derartig aufwendiges

Die 01. Ausstellung im Jahresprogramm Wo Geräusch auf der Gassen ist, da gehe fürbaß (M.Claudius) des EINSTELLUNGSRAUM e.V.

Vernissage
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek 
back
next