Foto Wagenlenker von Delphi

Zeichnung nach Wagenlenker von Delphi,
um 470 v. Chr. Bronce, Höhe 180 cm


Seelenzustände sind das Stichwort:
Das Metapherntheater zum Wagenlenker hat schon sehr früh begonnen. Und das berühmteste Beispiel für Wagenlenker und Seelenzustände findet sich im Phaidros.

Das von Platon notierte Gespräch zwischen Sokrates und Phaidros dreht sich um einen Beweis für die Unsterblichkeit der Seele. Der Beweis gründet darin, dass das stets Bewegte unsterblich ist. Stets bewegt ist das, was sich selbst bewegt, da es ja das Prinzip der Bewegung in sich hat. Die Seele aber bewegt das Lebewesen und sich selbst. Sie kann sich als bewegendes Prinzip nie selbst verlassen und ist daher unsterblich.

An diese Ausführungen knüpft Sokrates einen Mythos, um den Aufbau und das Lebensschicksal der Seele zu beleuchten. Anfänglich lebten die Seelen unter den Göttern und nahmen teil an ihrer himmlischen Wagenfahrt. Offenbar eine Art göttlicher Freizeitbeschäftigung. Die Götter haben lauter edle Pferde, die Seele aber, deren Wagen von der Vernunft gelenkt wird, hat ein edles, himmlisches Roß, das Gemüt, und ein wildes, zottiges, bockiges irdisches Pferd, den Trieb. Bei der Wagenfahrt in der Gesellschaft der Götter führt der Weg steil an den Rand der Welt, auf den Buckel des Himmels: hier vermag der Lenker des Seelengefährts, die Vernunft, die in der überhimmlischen Region beheimateten Ideen zu erblicken: farblose, stofflose, gestaltlose, in Wahrheit daseiende Wesen. Hierher kann nicht mehr jede Seele emporklimmen, doch die es noch vermag, stürzt wegen des störrischen und ungeschickten Verhaltens des irdischen Pferdes ab und sinkt zur Erde. Hier vermag sie die allgemeine Wahrheit zu erfassen, allerdings nur, wenn es ihr vorher gelungen war, die Ideen zu erblicken. Wenn die Seele des Menschen auf Erden etwas Schönes erblickt, erinnert sie sich an die Ideen und sie erbrennt in Liebe: dieser "Wahnsinn" erinnert die Seele an ihre eigentliche Heimat.

Die entscheidende Passage im Phaidros lautet:
"Die Schönheit aber war damals leuchtend zu sehen, als  mit dem beglückenden Reigen wir im Gefolge der Götter eines  seligen Anblicks und Schauens genossen, und als  wir in diejenige der Weihen eingeweiht waren, welche die seligste zu nennen heilige Pflicht ist, und  die wir feierten, selbst noch fehllos und unberührt  von den Übeln, die in späterer Zeit auf uns  warteten, als Reine selbst und nicht eingekerkert in diesen Körper, wie wir das jetzt nennen, was wir mit  uns, der Auster gleich angebunden, herumtragen. Dieses nun sei der Erinnerung gewidmet, um deren willen in Sehnsucht nach dem Damaligen jetzt ausführlicher geredet worden ist" (Phaidros)

Kontrollverlust
In Erinnerung an eine gescheiterte Wagenfahrt und Schönheitsschau kreiert man sich Vehikel. Metaphorische und tatsächliche, um dann diese Schönheit in einem Körper- Raum-Gefühl zusammenschießen zu lassen, was einem versöhnt erscheint. Deshalb Kunst angucken, deshalb Sport und deshalb auch Wagenrennen. Die neuzeitliche Vergleichsgruppe zum antiken Wagenlenker sind Motorradfahrer.


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