Von
spirituellen Welten bis zur Konsumgesellschaft,
vom Sakralen bis zum Profanen
Mudras (Sanskrit, urspr.:
„Siegel“) sind symbolträchtige Handgesten die oft
in göttlichen Darstellungen im Hin-duismus und
Buddhismus zu finden sind. Sie können
stellvertretend für den Weg ins Innere, für
Energie und Erleuchtung stehen aber auch viele
weitere Bedeutungen annehmen. Mudra, eine Arbeit
von 2020, zeigt die Mani-festationen dieser
symbolischen Sprache in unterschied- lichem
Kontext. Ausgehend von den sakralen Wurzeln
verfolgt das Stück die Entwicklung der gestischen
Sprache bis in den modernen Alltag hinein an
Beispielen wie den Hong-Kong Protesten, oder der
gestischen Sprachunter- stützung in Italien oder
den Emojis. Dabei konnte ich Parallelen zu meiner
persönlichen Suche nach Identität zwischen der
europäischen Kultur und meinen taiwa-nesischen
Wurzeln ziehen. Dieser persönliche Zwiespalt
zwischen der westlichen und östlichen Kultur wird
auf der Bühne durch die Tänzerinnen Isabella Boldt
(Deutschland) und Ying Yun Chen (Taiwan)
repräsentiert. Die Kraft der Mudras wird dabei
durch die statischen und dynamischen Choreografien
der Tänzerinnen vermittelt und von einem von Ilya
Selikhov (Russland) und Sum Sum Shen (Taiwan)
entwickelten Hintergrund aus subtilen Klangwelten
unter-stützt. Die Tänzerinnen werden dabei von
Videoprojek-tionen begleitet, die die Wirkung der
Mudras, mitsamt ihren mystischen Bedeutungen und
spirituellen Ursprüngen verstärken. Dabei entsteht
eine Interaktion mit dem Pub-likum, sowie eine
Auseinandersetzung der Tänzerinnen untereinander,
die sich immer weiter steigert. Mir war es ein
wichtiges Anliegen aufgrund meines persönlichen
Werde-gangs zwischen den Welten, die Ideen der auf
Trennung beruhenden wissenschaftlichen Weltsicht
des Westens und der alles verschmelzenden
östlichen Weltanschauung in Einklang zu bringen.
Dieses Wissen erermöglicht der Performance die
Entwicklung der spirituellen Mudras
zurückzuverfolgen um so den heiligen Ursprung
dieser Gesten freizulegen.
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MUDRA
Kerngedanken des Projektes
Mit meinem Tanzstück
„Mudra“ möchte ich das Phänomen der
menschlichen Gestik thematisieren.
Ich möchte die verschiedenen
Erscheinungsformen, die diese symbolische
Sprache in unterschiedlichen Kulturen
genommen hat, nachzeichnen. Von den
spirituellen Anfän-gen bis hin zu deren
Funktion in der heutigen nonverbalen
Kommunikation. Die Gegenüberstellung von
auf d i r e k t e Kommunikation
ausgerichteten Handgesten und den Mudras mit
ihren spirituellen Bedeutungen ist mir
wichtig, weil dieser Gegensatz von
wissenschaftlicher und spiri-tueller
Vernunft, sowie von Körper und Geist homolog
gese-hen werden kann.
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April 2021 LICHTHOF Theater.
Foto ©: Tobias Hoops und Jasmine Fan
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