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denn obwohl
ich in einem Hause von echter
Frömmigkeit aufgewachsen bin, konnte ich doch
den Gott und den Glauben, der mir dort
angeboten wurde, nicht annehmen. (…) Später
habe ich manche Jahre die indischen
Gottesvorstellungen besonders geliebt. Dabei
hat das klassische katholische Christentum
eine Rolle gespielt, aber ich fand mich
getrieben, auch die protestantischen Formen
des Christentums neu kennen zu lernen. (…)
Irgendeiner Gemeinschaft, Kirche oder Sekte
gehörte ich nie an, halte ich mich aber heute
nahezu für einen Christen.
Der zentrale Satz des „Glasperlenspiels“ war
und blieb der Glaubenssatz von Hermann Hesse: 6) Du
sollst dich nicht nach einer vollkommenen
Lehre sehnen, sondern nach einer
Vervollkommnung deiner selbst. Die
Gottheit ist in dir, nicht in Begriffen
und Büchern.
Von daher gelten
ihm auch talmudische, christliche, islamische,
hinduistische und buddhistische Grundsätze
gleich. Die vielen Methoden, die Religionen
anbieten, Gebet, Meditation, Kontemplation,
Konzentration, Selbstentäußerung,
Gewissenserforschung, Einsicht, Geduld, Ruhe,
zeigten ihm nur, dass Wirkung und Änderung
ausschließlich im Einzelnen geschehen und sich
nicht durch Theoreme, sondern nur durch eigenes
Erleben vollziehen können. Das war es, was Hesse
immer wieder zum buddhistischen Glauben hinzog;
unter allen Weltreligionen hat der Buddhismus
sein Gotteserlebnis nicht begrifflich
profaniert. (…) Selbstverwirklichung „auch gegen
die üblichen Moden und Gesetze“ versuchte Hesse
ein Leben lang. Darin bestand sein Glaube an den
Menschen. Das „Liebe deinen Nächsten wie dich
selbst“ wurde ihm zum Gebot. Mit dem Glauben an
das, „was Siddhartha die Liebe nennt“, kann man
leben.
/) Einerlei
welche Formen und Ausdrücke der Glaube
annehme, sein Inhalt ist jedes Mal
derselbe: dass wir wohl nach dem Guten
streben sollen, soweit wir vermögen, dass
wir aber für die Unvollkommenheit der Welt
und für unsere eigene nicht verantwortlich
sind, dass wir uns selbst nicht regieren,
sondern regiert werden, dass es über
unsrem Erkennen einen Gott oder sonst ein
„Es“ gibt, dessen Diener wir sind, dem wir
uns überlassen dürfen.
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Dies ist
europäisch und beinahe christlich
ausgedrückt. Der indische Brahmanismus (…
der den Buddhismus mit einrechnet, (ist)
wohl das Höchste, was die Menschheit an
Theologie geschaffen hat) hat andere
Kategorien, die sich aber ganz gleich deuten
lassen. (…) Für mich hängen die wichtigsten
geistigen Erlebnisse damit zusammen, dass
ich, allmählich und mit Jahren und
Jahrzehnten der Pausen, im Wiederfinden
derselben Deutung des Menschendaseins bei
Indern, Chinesen und Christen die Ahnung
eines Kernproblems bestätigt und überall in
analogen Symbolen ausgedrückt fand.
In dem Buch Mein Glaube, einer
Sammlung von Texten zu den Weltre-ligionen und
den eigenen religiösen Vorstellungen, schrieb
Hesse über den Glauben und über Theologisches,
über die Reden des Buddha, über Hinduismus,
über Alt-Chinesisches wie Konfuzius und Lao
Tse. Am Beispiel der christlichen und
asiatischen Traditionen machte er die
Gemein-samkeiten der Weltreligionen deutlich.
Dazu der Herausgeber des Buches: Siddharta:
8) Hermann Hesse ist
es mit seinem „Siddhartha“ geglückt, das
Gegensätzliche der Kulturen als Polarität
eines Ganzen sichtbar zu machen und zwischen
Orient und Okzident tragfähige Brücken zu
schlagen.
Sein Buch Mein
Glaube enthält keine Theologie,
keine begriffliche Defini-tion, was
Glaube, was Seele, was Religion, was
Gott sei. Hesse machte für sich ernst
mit dem biblischen Grundsatz: “Du sollst
dir kein Bildnis machen von Gott“, und
er nahm den Satz Thomas von Aquins
wörtlich: „Gott wissen, heißt, ihn
gerade nicht wissen“. Zwar fühlte er
sich als Bekenner, als Religiöser und
Frommer, zwar war er immer bereit,
Bekenntnisse abzulegen, aber dies
geschah in seinen Gedichten und
Prosadichtungen, nicht so sehr in
theoretischen Texten. „Siddhartha“
(Untertitel Eine indische Dichtung) sah
er als das Buch seines Glaubens an, und
sein indisches Gewand sei nicht zufällig
(in Siddhartha spiegelte Hesse den Geist
Buddhas so gut wider, dass seine
Erzählung allein in Indien in 13
Sprachen und Dialekte übersetzt worden
ist). Andere Varianten seines
Bekenntnisses beschreibt Hesse im Steppenwolf,
in Narziß und Goldmund,in
der Morgen-landfahrt, im Glasperlenspiel.
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