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Der Schwarmforscher Marco Dorigo hat 1991 erste
mathematische Verfahren zur Lösung kollektiver Bewegungen
im Bereich der Logistik von Transportunternehmen gefunden.
Neu war, dass seine Streckenberechnungen eine
Fahrzeugflotte als Ganzes dachte, was bedeutet, dass die
Störung der Bewegung eines Fahrzeugs alle Bewegungen
beeinflusst, weshalb zur Optimierung der Effizienz die
Neuberechung der Routen aller Fahrzeuge erforderlich wird. III. Warum das
alles und warum hier
im EINSTELLUNGSRAUM?
Das Jahresprojekt „shared space“ handelt von Prozessen, in denen nicht nur menschliches Verhalten die seinsgeschichtlichen Disposition des Menschen, Technologie, Soziales und Politisches aufeinander treffen lassen, sondern gerade auch Ansätze seitens der Künstler angeboten werden, weil diese durch die Tradition der Künste und des sich daraus ergebenden Universalitätsan- spruchs potenziell in der Lage sind, Formen des Denkens und Gestaltens zu verbildlichen. Durch ihre Geschichte sind Künstler dazu prädestiniert und in der Lage, dem in der Interdisziplinarität liegenden Anspruch zu entsprechen. Diesen Entwicklungen Raum zu geben und mit einem engagierten Publikum solche Entwicklungen zu begleiten entspricht dem Interesse und Programm des EINSTELLUNGSRAUM e.V. IV. Projektion statt Modell Sylvia SCHULTES hat hier drei Konglomerate aus Glas zusammengefügt und in den Raum gehängt. Gestielte Wein-, Likör- und Cocktailgläser sind mit Kautschukringen flexibel an Lampenschirmskeletten befestigt. Letztere sind einfache geometrische Körper und bilden die Basis der Objekte. Ohne Gläser erinnern sie an alte Flaschentrockner, womit auch der berühmte Flaschen- trockner angesprochen ist, der als Ready-made durch Marcel DUCHAMP in die Museen der Welt und damit in die Kunstgeschichte eingeschleust wurde. Ich möchte dieses Werk heranziehen, um einen Gedanken auszuführen, der erkennen lässt, dass diese Objekte mit dem Jahresthema shared space und Titelteil dieser Ausstellung „Schwarm“ korrespondieren. |
Ein Flaschentrockner ist
ein kegelförmiges Gebilde aus Bandmetall mit
aufgeschweißten Haken, in die gespülte Flaschen kopfüber
zum Trocknen gestellt werden. Marcel Duchamp ließ ein Foto
davon anfertigen, das den Flaschentrockner mit einem
Schattenwurf gegen eine Fläche zeigt. Diese Projektion
eines dreidimensionalen Objekts auf die zweidimensionale
Fläche ist ein Reflex auf die Möglichkeiten der
Perspektive, dank der es den Künstlern seit der
Renaissance gelungen ist, sich Anerkennung als
Wissenschaftler zu erwerben. Weil die Perspektive ein
Teilgebiet der Mathematik war, schafften die Maler den
Aufstieg von Handwerkern zu Akademikern. So
revolutionierte die Perspektive vor 500 Jahren die gesamte
Kunstausübung mit Folgen für den Status der Künstler bis
heute. Bekanntlich ermöglichte es die Perspektive, einen
Raum unter Beachtung der Gesetze der Optik auf eine Fläche
zu projizieren. In Analogie dazu schwebte Duchamp vor, ein
Objekt, also einen 3-dimensionalen Körper, als die
Projektion der 4. Dimension zu betrachten. Dieser
Zusammenhang wird durch die Objekte von Schultes berührt;
denn in ihrem Inneren leuchtet eine Glühbirne, welche die
darum herum angeordneten Gläser auf die umliegenden
Wände, Decke und Boden projiziert. Weil sich hier die
Objekte bewegen und ihre Schatten sich wandernd
überschneiden, führt das zu einer vielfach komplexeren
Projektion als sie der Schattenwurf eines festen
Gegenstandes durch Bestrahlen von außen bieten würde.
Außerdem sind die Gläser transparent und brechen das
Licht, so dass jeder Glühdraht ganze Scharen von vielfach
gebrochenen und sich überlagernden Lichtstrahlen erzeugt,
welche die Schatten der Glaskörper multiplizieren,
überlagern und mit einer Aura umstrahlen. Eine komplexe -
den Weg von Poe's Mensch in der Masse nachvollziehende -
Bewegung durch Raum und Zeit wäre in diesem System etwa
durch den Weg eines Punktes längs der hellen oder dunklen
Schattenlinien von zwei sich überschneidenden Projektionen
darstellbar. Ohne Licht lassen sich die Objekte auch als Modelle auffassen. Sie könnten beispielsweise Atomkerne, Viren, Sternhaufen oder mehrzellige Lebewesen darstellen, die heute überall als zweidimensionale Abbildungen kursieren. Doch würden die Objekte als Modelle nicht der durch die Projektionen gegebenen Komplexität gerecht. Außerdem ist eine Projektion kein Modell. Während Modelle einen der Anschauung entzogenen Zusammenhang sichtbar machen, können Projektionen durch ein optisches oder sonstiges Verfahren Bewegungen eines Gegenstandes abbilden, der sich in einer anderen Dimension bewegt. |
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