teau und weitere lexikalisch erfasste Gegebenheiten der Natur. Diese von territorialen und nationalen Grenzen entbundene Welt-Landschaft (den jeweiligen Landschaftsformen sind die entsprechenden Begriffe beigeordnet, wie Länderbezeichnungen) diente als Ausgangsmaterial für eine Reihe von Projekten der Künstlerin, darunter eine großflächige Arbeit im Rahmen des Hamburger Programms "Kunst im öffentlichen Raum", die im Juni 2003 unter dem Titel Wo?-Ou?-Where? in einem Mauerbogen des S-Bahnhofs Sternstanze installiert wurde. Der Titel fokussiert die freischwebende Ortlosigkeit dieser spezifischen Karte, die wie eine Chiffre zu imaginären Verortungen durch die Betrachter auffordert. Sabine Mohr hat sie aus kleinem Format in ein wandfüllendes Ensemble aus Keramikfliesen transponiert und in einen schon vorhandenen Bogen der Bahnhofsmauer montiert, der die in Indigomalerei übertragene, vertraut-exotische Landschaft der Karte umrahmt. Während die S-Bahn gleich nebenan auf erhöhter Überführung ihren fahrplangesteuerten Zielen entgegenrauscht, beginnt bei der bildlichen Juxtaposition von "Désert", "Montagne", "Pleine" oder "Ville" (auch eine Stadt verzeichnet die Karte, doch ist sie ebenfalls ein namenloses, ideeles Gebilde im Nirgendwo der Landschaft) eine Reise im Kopf, die überall hinführen kann, zu jedem Meeressaum, auf jeden Berggipfel, in jede Stadt, die in der Vorstellung der Passanten angesiedelt sind. Eine zusätzliche Erweiterung des Bildes aus dem öffentlichen in den privaten Raum und wieder zurück schafft die Künstle- rin mittels einer integrierten Web-Adresse, unter der Gedanken, Texte, Images zu den verschiedenen Landschaften gesammelt werden.


Eine ähnlich abstrakte, dabei implizit poetische Kartierung eines Orts-ohne-Ort bildet die Grundlage für die Arbeit How to climb the mountains (2004), die Sabine Mohr für die Imagine Gallery in Beijing realisiert
hat
. Grundlage ist ebenfalls eine franzšsische  Landkarte aus

dem 19. Jahrhundert, auf welcher diesmal die namhaften Berge und Gebirgsformationen der Welt zu einem Phantasiepanorama verdichtet sind. Der Landschaft, die vom vergleichsweise niedrigen, rauch- speienden Versuv bis zum in den Himmel wachsenden Mount Everest rangiert, ist neben den Bergbezeichnungen und -höhen eine Vergleichsabbildung mit markanten Architekturdenkmälern (die Cheops-Pyramide in Ägypten, Notre Dame und Eiffelturm in Paris, der Kölner Dom, der Obelisk in Washington,D.C. und andere mehr) beigestellt. Als weiteres Element gibt die Karte Auskunft über die von frühen Protagonisten des Fliegens mit diversen Flugapparaten erreichten Höhen. Die erhabene Größe der Natur in Gestalt der Berge trifft auf die menschlichen Leistungen auf dem Gebiet des Bauens und der (Flug-) Technik - spätromantischer "Alpenmythos"(1) und "Fortschrittsmythos" der aufkommenden Moderne.

Dies konstituiert den präfigurierten Hintergrund für Sabine Mohrs interkulturelle, übertemporale Verflechtung der Bilder, Stilmittel und Bedeutungen. Für die Umsetzung der Karte hat die Künstlerin auf die traditionelle Scherenschnitttechnik zurückgegriffen, die in der chine-sischen Volkskunst fest verankert ist. Das fast märchenhafte Konglo- merat von Bergen und Bauten der historischen Karte hat Sabine Mohr mit dem Messer wiederum in semitransparente Kunststofffolie gezeich- net, die sich als ein riesiges, fast immateriell anmutendes Rollbild von der Decke bis zum Boden der Galerie entspannte. Die hauchzarte Berglandschaft durchwirkte den Raum wie ein Schleier. Auf einer bildlichen Ebene kam es durch die Kontextverschiebung der Landkarte zu einer Aktivierung von Verknüpfungen zu Tradition und Gegenwart Chinas. Die Mega-Cities, die dort aktuell mit atemberaubender Rasanz aus dem Boden schießen, wurden durch die gestaffelten Bergreliefs und Bauwerkeder pikttorialen Repräsentation ebenso evoziert wie das natürliche Erscheinungsbild der heimischen Gebirgszüge,

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