Siegeswillen durch
massive Propaganda zu stärken. Nach der „Operation
Gomorrha“ gelang das nicht mehr. Die schlagartige
Zerstörung einer Millionestadt in der Heimat ließ
das durch jahrelange Propaganda vermittelte und bis
dahin bewahrte „Gefühl der Sicherheit“ überall im
Reich „urplötzlich zusammenbrechen“. Die frühere
Zuversicht wurde abgelöst von dem lähmenden Gefühl,
„dem blinden Wüten“ einer überlegene Kriegstechnik
hilflos ausgeliefert zu sein. Angesichst der
unmittelbaren Existenzbedrohung machte sich „ein
bisher nicht gekanntes Bedürfnis zu selbständigem
Nachdenken“ bemerkbar, „das bohrende Fragen nach dem ‚Warum’, und vor allem
ein Hunger nach politischen Antworten, die nicht nur
zündende Worte und Parolen sind“.
4. Gesteigerter Haß auf den Feind, der die
Bevölkerung mit dem Regime hätte zusammenrücken
lassen, wurde selten beobachtet.
Es gab zwar einige schwere Übergriffe gegen
abgeschossene Bomberpiloten. Aber generell herrschte
erstaunlich wenig Haß gegen die Engländer, wie die
Berichterstatter des SS-Sicherheitsdienstes,
Hamburger Pastoren und früher linksstehende
Beobachter übereinstimmend feststellten. Der Ruf
nach „Vergeltung“, der nach dem Beginn des
verstärkten Luftkriegs in den besonders häufig
heimgesuchten Städten immer wieder laut wurde,
beruhte auf rationalen Überlegungen.
Die Vergeltung sollte nicht Rachewünsche
befriedigen, sondern durch ihre abschreckende
Wirkung die Vernichtung weiterer deutscher Städte
verhindern. Die offiziellen Haßtiraden fanden im
allgemeinen keine Resonanz. Im Gegenteil wurde
bemerkenswert oft die Meinung geäußert, daß
Deutschland nun die Quittung für seinen „Luftterror“
gegen die Zivilbevölkerung der überfallenen Länder
erhalte.
|
5. Die Hamburger
Rüstungsproduktion wurde durch die „Operation
Gomorrha“ nachhaltig geschwächt und konnte bis
Kriegsende den früheren Stand nicht wieder
erreichen.
Als Indiz für den angeblich ungebrochenen
Durchhaltewillen der Bevölkerung und ihr
Zusammenrücken mit dem Regime unter dem Bombenhagel
wird die Tatsache angeführt, daß die
Rüstungsproduktion im Deutschen Reich noch bis zum
Sommer 1944 gesteigert werden konnte. In Hamburg war
das nicht der Fall. Kein Industriezweig (mit
Ausnahme des U-Boot-Baus) erreichte nach der
„Operation Gomorrha“ mehr die früheren
Produktions-zahlen. Nur in den Großbetrieben gab es
genügend Ausweich- und Improvisationsmöglichkeiten,
um zerstörte Anlagen relativ rasch zu ersetzen.
Viele Klein- und Mittelbetriebe waren dagegen
restlos vernichtet, so daß ihre unentbehrlichen
Zulieferungen fehlten und die Produktion auch in den
Großbetrieben stockte. Außerdem fehlten die aus
Hamburg geflohenen Arbeitskräfte. Obwohl im ganzen
Reich Aufrufe erschienen, der Arbeitspflicht in
Hamburg nachzukommen, obwohl die Betriebe mit
Lohnprämien lockten und die Behörden mit Mahnbriefen
drohten, kehrte etwa ein Drittel der Beschäftigten
nicht an ihren Arbeitsplatz zurück. Auch dies war
ein deutliches Zeichen für den Autoritätsverlust des
Regimes und die innere Auflösung des „Dritten
Reichs“; denn oft zogen es auswärtige Arbeitsämter
vor, die Hamburger Flüchtlinge
lieber im eigenen Bezirk einzusetzen, statt sie
zurückzuschicken. Die in Hamburg verbliebenen
Arbeitskräfte konnten und wollten unter den
miserablen Lebensbedingungen nicht dasselbe leisten
wie früher. Schlechte Unterkunft in halbzerstörten
Wohnungen oder überfüllten Massenquartieren, lange
und mühsame Arbeitswege über zerbombte Straßen, oft
die Trennung von den Familien:
alle diese Faktoren zehrten an den Kräften und
schmälerten die Einsatzbereitschaft.
|