Llaura I. Sünner - Protektionsinstallation EINSTELLUNGSRAUM, Hamburg, Donnerstag, 5.3.2009 Querschlegeln als pataphysikalischer Versuch zur Protektion von Mensch, Material, Kegel und Verkehr Einführungsrede von Gunnar F. Gerlach Querschlegeln als pataphysikalischer
Versuch zur Protektion von Mensch, Material, Kegel und
Verkehr
Einführungsrede von Gunnar F. Gerlach "Meine Philosophie ist die, beziehungsweise sie entwickelt sich immer mehr dahin, daß wir alles falsch machen, daß wir so schnell wie möglich einem Zustand des allgemeinen Elends, der uns zum warnenden Beispiel für alle anderen vernunftbegabten Kreaturen werden lässt, entkommen. Ich betrachte unsere Inge- nieursleistungen und unser Schrauben und Schleifen als reine Wahnsinnstaten. Und Sie glauben, daß alles seine Ordnung hat." John Ruskin, Briefe aus Venedig, 1850 "Was, seit den Dörfern des Neolithikums, in den Stätten des spontanen gesellschaftlichen Verkehrs vermischt war, wurde einzeln und getrennt in Raum und Zeit verwiesen. Die Folge davon war und ist, daß die Verbindungsglieder zwischen diesen geschiedenen Elementen (sofern es sie gibt, was schon ein Gut ist: Kommunikationsmittel, Wege und Straßen, Signale und Codes, Tausch- und Handelsagenten) eine übermäßige Bedeutung erlangen: das Verbindende wird wichtiger als die verbundenen Teile .... Straße und Weg werden zwar wichtig, aber unter dem Ansturm des ununterbrochenen und sich wiederholenden Verkehrs gleichzeitig zur Wüste. Der Verkauf wird wichtiger als die Produk- tion, der Austausch wichtiger als die Tätigkeit, die Zwischenhändler werden wichtiger als die Produzenten, die Mittel wichtiger als die Zwecke." Henri Lefebvre, Einführung in die Modernität, S.145f. 1962 |
Der scheinbar unaufhaltsame Fortschritt
der sog. Moderne seit der Mitte des 19. Jahrhunderts
ist nicht nur begrifflich jeder Art von Dialektik also
auch der negativen unterworfen, sondern ist in sich
selbst befangen in wechselwirkenden, hin- und
herpendelnden Ausschließlichkeiten und Antagonismen:
allein das lateinische 'progressio' bedeutet
ursprünglich schon 'Entwicklung auf die Tugend hin'.
Der Anreiz zur ökonomischen Absolutheitsentwicklung
des rein technoid instrumenta-lisierten Kapitalismus
hingegen lebt einzig von den Todsünden Neid und Geiz
als Voraussetzungen des Begehrens, so dass der 'Krieg
der Vater aller Dinge' (Heraklit) bleiben möge. Vor der Flucht, der inneren Emigration und dem Einwicklen in einen abschir-menden Kokon bleibt als strategische Widerstandsleistung aus dem Geist von Philosophie und Kunst noch das Schlagen und Schlegeln gegen die normativ verordneten Regeln und Richtungen der gesellschaftlichen Absurdität: Assoziatives Querschlegeln als pataphysikalischer Versuch zur Protektion von Mensch, Material, Kegel und Verkehr in Ansehung der Installation von Llaura I. Sünner Pendeln und Loten Nichts ist so klar und deutlich wie die deutsche Sprache und Grammatik stellte der analytische Meister der großen Kritiken während der Aufklärung, Immanuel Kant, bereits fest. Dem wäre noch hinzuzufügen: noch logischer, klarer, eindeutiger und regelnder als die deutsche Sprache sein könnte, ist die deutsche Verkehrsordnung - vielleicht abgesehen von ihrem Schilderwald als Performance-Dauer-Installation. Und auch diese regulierende Ordnung, die alle am Verkehr, also an Austausch, Kommunikation und Transformation Beteiligten schützen soll, führt tagtäglich zu Unfällen und "Lernprozessen mit tödlichem Ausgang"* (A.Kluge). Zweifel, Skepsis und der philosophische Skeptizismus vor den gut gemeinten, aber schlecht realisierten Ideen und Handlungen der Protagonisten sind also nicht nur angebracht, sondern zum Selbst- |
* Alexander Kluge: Lernprozesse mit
tödlichem Ausgang, 1999, Verlag Suhrkamp |
|
back |
next |