"Der Gro§e Wagen
 fährt zurück so leer wie er gekommen ist."
Inger Christensen
Raum ?
Johannes Lothar Schröder über die Ausstellung
"geteilt – zerteilt – enteilt" von Susan Paufler
im EINSTELLUNGSRAUM Hamburg


I. EINE FOTOGRAFISCHE AUSLEGUNG VON  "shared space"

7 x 4 Fotos hängen rahmenlos auf den Wänden. Erkennbar sind trotz der Unschärfen und Verwischungen Bäume, Buschwerk, Waldränder, Raine, Felder, manchmal Gebäude oder Fassaden. Oft zieht sich eine Horizontlinie durch ein Bild, wobei sie von Foto zu Foto springt, also mal ist sie im oberen, mal im unteren Drittel oder mitten im Bild. Auch liegen Hinweise auf Jahreszeiten, wie Schnee, kahle Bäume und Sträucher oder saftiges Grün vor. Wassertropfen oder Schmutz im Gegenlicht vor einer Schattenzone machen gelegentlich erkennbar, dass sich zwischen dem Objektiv und dem Motiv eine Fensterscheibe befindet. Dieses und die Verwischunge im Hintergrund lassen erkennen,  dass die Fotos in einem Verkehrsmittel aufgenommen wurden. Da nirgendwo eine Straße zu sehen ist, und die Position der Kamera oberhalb der Szene liegt, kommt ein Eisenbahn- zug als Ausgangspunkt in Frage. Die verschiedenen Jahreszeiten deuten darauf hin, dass Aufnahmen verschiedener Reisen zusammengestellt worden oder aus Nahverkehrsmitteln gemacht worden sind.

Alle Fotos - mit Ausnahme der beiden in Lichtkästen ausgestellten - sind in Gruppen von je vier Abzügen symmetrisch auf einem Fotopapier im DIN A2 – Format ausbelichtet worden. Diese Präsentationsform vermeidet es, eine Abfolge zu suggerieren. Ein leichtes Verspringen der Grundlinie der Hängung verstärkt die Störung der Abfolge zusätzlich, so dass die BetrachterInnen aufgefordert sind, die auf verschiedenen Ebenen liegenden Bilder zu vergleichen. Von den Augen wird gefordert, permanent auf und ab sowie hin und her zu springen, um die Unterschiedlichkeit der einzelnen Bilder zu erfassen, um etwa Kriterien für irgendeine Ordnung zu suchen. Diese Mühen sind vergeblich, denn es gelingt kaum, sie in einem Raumkontinuum unterzubringen. Der Raum bleibt zerteilt. An dieser Stelle berührt die Ausstellung den Titel das Jahresprojekts „shared space“ und legt den Begriff in besonderer Weise aus.

Das zuvor Geäußerte unterstreicht die ersten zwei Partizipien des von Susan Paufler gewählten Titels „geteilt" und "zerteilt“. Sie bestimmen den „geteilten Raum“ nicht aus einer sozialen und karitativen Sicht, sondern betonen die destruktive Seite,  indem sie die Voraussetzung des Teilens - nämlich die Ganz- heit - anzweifeln; denn es stellt sich die Frage, ob der Raum überhaupt als ein Ganzes existiert und in welchem Verhältnis sich Raum zur Fotografie verhält?

II. DAS DISPOSITIV DER FOTOGRAFIE

Da die Fotografie mit optischen Geräten hantiert, schloss sie sich mit ihrer Erfindung nahtlos an die durch das Dispositiv der Malerei vorgegebene Zen- tralperspektive an als Grundlage der Abbildbarkeit von Realität, bzw. dem was man dafür hielt. Zugleich aber leitete sie die Befreiung der Malerei von den Zwängen ein, die ihr durch die Abbildung der „Realität“ zugewachsen war. Doch trennte die Fotografie die Malerei in der Folge auch von der perspektivischen Darstellung ab, weil sie die bis dahin der Malerei zugewiesenen Aufgaben der Abbildung von Wirklichkeit übernehmen konnte. Die Folgen sind bekannt: Es geht um Abstraktion und die Befreiung der Malerei von der Fessel der Abbildung. Doch hat das Spiel mit der Realität der Malerei nur vorübergehend einen Befreiungsschlag erlaubt, weil die Fotografen nur bedingt in die Fußstapfen der Malerei getreten sind. Denn die Medien der Fotografie sind andere als die der Malerei.

Ich spreche hier bewusst im Plural, denn die Fotografie ist kein Medium, es ist wie die Malerei ein Dispositiv, das neben den technischen Seiten der Produktion auch in komplexen sozialen und kulturellen Zusammenhängen eingewoben ist. Ging es bei der Malerei um die Bereitstellung von Material, durch welche die Maler zeitweise wegen der Zuteilungen von Tuch, Pigmenten und Malmitteln von den Zünften abhängig waren,  so ist die technische Seite bei der Fotografie mit der industriellen Produktion verbandelt und zusätzlich wegen der Möglich- keit der Vervielfältigung von den Massenmedien abhängig.

Die industrielle Seite der Fotografie umfasst neben den Aufnahmeapparaten auch die Techniken der Bildträger (Platte, Rollfilm, Kleinbildfilm, chemische Papiere, digitale Belichtung etc.), der Vervielfältigung und Distribution (Optik, Printer, Printerpapiere, Computerprogramme, Publikationsmöglichkeiten, Verlage, Aus- stellungsformen etc.). Hier haben wir konventionelle  Abzüge von analoger und digitaler Fotografie aber auch Lichtkästen mit Belichtungen auf mattierter Spezialfolie vor uns. Die analogen Fotos unter den Exponaten

Vernissage
Gefördert von der Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirksamt Wandsbek
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