hinein.
                    Wann genau wir am Ziel ankommen, wo wir gleich
                    geblitzt werden, wenn wir nicht vom Gas gehen oder,
                    dass hinter der nächsten Ecke ein Stau-Ende auf uns
                    wartet, wird uns während der Fahrt prophetisch vom
                    Miniatur-Dämon angezeigt. 
                    Zukünftig sollen die prophetischen Prothesen noch in
                    viel weitreichenderer Weise Teil des Autofahrens
                    werden. Spurhalteassistenten lesen die Markierun-gen
                    der Fahrbahn ab, um Kurs zu halten.
                    Lichtempfindliche Sensoren passen die Scheinwerfer
                    der Umgebung an. Messinstrumente erkennen andere
                    Autos, Räder, Gebäude und sogar Menschen. Die
                    Messdaten der Fahrt übersetzen die physische Umwelt
                    in Echtzeit zu einem virtuellen Abbild. Ein
                    Computer-erdachtes Modell, das zeitgleich im
                    Hinterkopf der autonomen Maschinerie mitläuft und
                    dieses mittels Verknüpfungen zu weiteren virtuellen
                    Modellen dynamisch erweitern kann. 
                    Bei all dieser Rechenleistung liegt der Schluss
                    nahe: Wir fahren nicht länger Auto, das Auto fährt
                    uns. Das Fahren wird zu einem beiläufigen Prozess,
                    einer Zeitspanne, in der wir uns auf alles andere
                    konzentrieren - außer auf das Fahren selbst. Führt
                    uns das weg von autonomen Entscheidungen im
                    Straßenverkehr oder hin zu einem bewusster
                    erfahrbaren Selbst, weil wir uns nicht länger auf
                    eben jenen Verkehr konzertieren müssen? 
                    Fest steht für den KUNSTFOUM-Autor Jürgen Kisters
                    in Bezug auf Beuys’ Manresa-Performance jedenfalls:
                    Intellektuelle Kompliziertheit und (kunst-)
                      philosophische Exkurse ersetzen und erreichen
                      keineswegs Erfahrungen. 
                    Das Auto scheint demnach also, selbst wenn es sich
                    autonom durch den Verkehr bewegt, einfach nicht
                    dieselbe Erfahrung zu machen wie wir. 
                     
                    Doch wie steht es um die Autonomie in der Kunst? Die
                    Werke von Katina Rank und Daniel Wrede sind keine
                    künstliche Intelligenz. Sie sind keine
                    prothesenhafte Software, die uns das Denken
                    erleichtern möchte. Sie sind auch kein Hightech,
                    dessen Wirkweisen undurchschaubar sind. Sie sind
                    aber dennoch autonom. Sie funktionieren, sie wirken
                    und sie existieren ganz ohne unser Einwirken. Die
                    Autos auf der kleinen A4 müssen nicht von
                    uns angescho-  | 
                  ben
                    werden, die Riemen der beiden Variationen von vorbeiziehen
                    benötigen keinerlei Ankurbeln unsererseits. Wir
                    können sie uns damit nicht als Gebrauchsgegenstände
                    zu eigen machen. Sie sind kein Mittel zum Zweck. Die
                    Werke sind nicht künstlich, sie sind Kunst. 
                    Sie vermitteln nicht einfach nur Informationen, sie
                    vermitteln Interaktion, Emotion und auch Humor. Sie
                    nehmen uns das Denken nicht ab, sondern laden uns
                    zum Nachdenken ein. Einem Nachdenken darüber, wie
                    Bewegung erfahrbar wird - wie wir uns bewegen, wie
                    sich Dinge bewegen und wie beides zusammenhängt. In
                    welche Richtung bewegen sie sich und wann oder wann
                    auch nicht? Einem Nachdenken auch darüber, wann
                    etwas zur Kunst wird - was macht diese aus? Sie
                    fragen auch nach der Autonomie der Kunst und des
                    Verkehrs. 
                     
                    Beinahe gegenteilig verläuft diese Grenze zu den
                    rationalisierten Parametern der von künstlicher
                    Intelligenz angetriebenen autonomen Fahrzeuge. Was
                    macht ein Spurhalteassistent, würde er auf die
                    Fahrbahnmarkierungen von vorbeifahren 01 und
                    02 treffen? Könnte er diese lesen, oder
                    entziehen sich die beiden Werke beinahe subversiv
                    einer maschinell-sensorischen Abtastung? Können nur
                    wir sie lesen, weil wir sie im Kunstkontext
                    verstehen? Und inwiefern lässt sich das digitale
                    Abbild der kleinen A4, die auf einem
                    Bildschirm zu sehen ist, mit jenen Abbildern unserer
                    Verkehrsumgebung gleichsetzen, die uns ein autonomes
                    Fahrzeug im Innenraum über diverse kleine
                    Bildschirme anzeigt? Autonom sind die hier gezeigten
                    Werke auch, weil sie selbstbestimmt die festen
                    Regeln der Kunstgattungen unterlaufen und neu
                    zusammenfügen. Malerei, Skulptur, Plastik - diese
                    Kategorien scheinen hinter neuen Merkmalen wie
                    Bewegung, Zeit und Ablauf zu verschwinden. Die Kunst
                    verhält sich als autonomes Gegenüber in der
                    Interaktion mit uns als Publikum. Sie lädt in diesem
                    Kontext zu einer Konversation ein, sie stellt Fragen
                    und gibt Antworten. 
                    In diesem Sinne, denken Sie nach! Betrachten Sie!
                    Fragen und hinterfragen Sie - was meint das
                    eigentlich: Autonom? 
                     
                   |