Ich freue mich, Sie alle ganz herzlich zur aktuellen Ausstellung Nebelscheinwerfer von Ralf Jurszo und Die goldene Karosse von Mathias Will begrüßen zu dürfen.

Soeben sind Sie, meine Damen und Herren, aus Ihrer goldenen Karosse oder vielleicht auch nur der U-Bahn gestiegen, haben ein paar Schritte durch die Dunkelheit getan, und die Schwelle zum EINSTELLUNGSRAUM überschritten – und nun glauben Sie, den schlechten Sichtverhältnissen entronnen zu sein. Weit gefehlt! Hier ist zwischenzeitlich ein besonders dichter Nebel aufgezogen, der Sie heute auf die eine oder andere Fahrbahn geleiten und Ihnen die Bedeutung des Mittelstreifens nahe bringen wird. Darüber hinaus werden Ihnen diverse Funktionen des Automobils präsentiert, die Sie bislang vielleicht noch gar nicht wahrgenommen, und die Sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch nicht ausgeschöpft haben. Lassen Sie sich inspirieren!

 
Wer ein wenig mit Ralf Jurszos Malerei vertraut ist, weiß: Er mag die Natur.
In seinen Bildern stellt er gerne Natur und modernes, wenn auch nicht immer löbliches menschliches Handeln einander gegenüber, und bringt mit seinem altmeisterlichen, äußerst detaillierten Malstil Vormoderne und Moderne zusammen.

Wenn Sie sich hier umsehen, wird es Sie vielleicht erstaunen, wie viele Straßen nun ins Zentrum seiner Arbeit gerückt sind. – Ein plötzlicher Sinneswandel? Keineswegs. Ausgerechnet eine Island-Reise inspirierte Ralf Jurszo zu den hier ausgestellten Arbeiten. Denkt man bei Island sofort an weite Landschaften, Geysire und Isländer-Pferde – so entdeckte Jurszo dort die Straße. Ihm wurde bewusst, wie sehr der Mensch auf die Straße angewiesen ist, wenn er mobil sein möchte, aber nicht reiten kann. Auf Island ist das Gelände jenseits der Fahrbahn so unwegsam, dass sich die Geschwindigkeit des beräderten Reisenden auf Schritt-Tempo drosseln würde, wenn er von der .
Straße abwiche. Die Straße dominiert den Reiseverlauf, der Mittelstreifen gibt die Richtung vor.
Stark geprägt von seinen Reise-Impressionen, hat Ralf Jurszo die Straße und ihre scheinbare Unendlichkeit in seinen Bildern besonders inszeniert, indem er alle weiteren Straßenmarkierun-gen und -einsäumungen ausgeblendet hat. Im Mittelpunkt steht der Mittelstreifen.

Gleichermaßen Reise erschwerend wie faszinierend ist der Nebel, der auf der Insel besonders dicht ist und ganze Teile der Welt einfach verschluckt. Sehen kann man nur soweit der Nebelscheinwerfer reicht, alles dahinter Liegende bleibt Gegenstand der individuellen Fantasie oder Ahnung. Während der Nebel die vom Mittelstreifen gezeichnete Straße endlos erscheinen lässt, folgt der Reisende diesem Streifen quasi blind, immer darauf vertrauend, dass gerade dieser ihn durch die weite Landschaft bis an das gewünschte Ziel führen wird – welches je nach Form der Nebelschwaden andere Gestalt vor Augen annimmt.

Mathias Will dagegen nimmt die stark überhöhte gesellschaftliche Bedeutung des Autos aufs Korn. Schon der von ihm gewählte Titel beschreibt diese Relevanz: Die goldene Karosse.

Das Auto steht erhaben über allem anderen, es ist Statussymbol und Identifikationsfaktor. Geprotzt wird bekanntlich auf allen Ebenen: mit Geschwindig- und Geschicklichkeit, Leistung, Größe, Form und Farbe. Diesen Wahnsinn bannt Mathias Will exemplarisch in vier besonders schnittige Automodelle: Er reduziert ihr sonst so blasiertes Farbspiel auf rot, schwarz, grün und blau  und kontrastiert sie mit einem schlichten, stets identischen Waldstück, das er hinter die Objekte der Begierde legt. Dabei stellt er das Künstliche und das Natürliche einander gegenüber und letztendlich Sie, die Betrachter, vor die Wahl!

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