Rückspiegel -
Einführung in die Ausstellung von Karla Krey:
Planetarium
Sarah Steube, 25.05.2022 EINSTELLUNGSRAUM
e.V. Hamburg
Ein Sprichwort aus der
Psychotherapie hält uns an, die Vergangenheit wie
einen Rückspiegel zu betrachten: gelegentlich
hineinzuschauen, um Orien-tierung zu erhalten,
aber nicht so sehr darauf fokussiert, dass wir
vergessen, was vor uns liegt.
Ich erinnere mich noch an eine Zeit vor dem Euro.
Meine Mutter drückte mir ein zwei Mark Stück in
die Hand, damit ich mir auf dem Flohmarkt etwas
kaufen konnte. Ich wanderte durch die Gassen
zwischen Barbiepuppen und antikem Geschirr und
entschied mich am Ende vermutlich für ein Hörspiel
(damals noch in Kassettenform)
Was kann uns dieser Blick in den Rückspiegel
lehren?
Was wird die Menschen in der Zukunft der Blick in
den Rückspiegel auf unsere heutige Zeit lehren?
01.06.2211
western journal for feminist anthropology
Die Menschheitsgeschichte verläuft in Zyklen.
Während unsere gegenwärtige Gemeinwohlökonomie auf
präindustrielle Praktiken der Dorfgemeinschaft,
feministische „ethics of care“ und indigene Formen
der Wissensorganisation zurückgreift, zeigt die
spätkapitalistische Ära des frühen 21. Jahrhundert
Parallelen zum Ende des Mittelalters und dem
Beginn der Renaissance. Im Folgenden werden diese
Parallelen im Zusammenbrechen der beiden
absolutistischen Systeme weiter erörtert und die
Implikationen für unsere gegenwärtige Gesellschaft
exploriert.
Spätmittelalter
Das Ende des Mittelalters und der Beginn der
Renaissance waren davon gekennzeichnet, dass die
katholische Kirche zunehmend an Einfluss verlor
und Platz machen musste für ein auf Basis antiker
Philosophien und neuer wissenschaftlicher
Erkenntnisse ausgerichtetes Weltbild.
Wie sehr die katholische Kirche dabei bemüht war,
ihren Einfluss auf das Volk zu bewahren, zeigt
sich an dem verzweifelten Festhalten am
geozentrischen Weltbild.
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Galileo Galilei stellte mit dem
Postulat des heliozentrischen Weltbildes nicht nur
die gegenwärtige Meinung zur Position der Erde in
unserem Sonnensystem in Frage, sondern auch die
Schöpfungslehre mit dem Menschen als zentraler
Figur. Während Kopernikus die Theorie des
heliozentrischen Weltbildes bereits vor Galilei
postuliert hatte, war es die Veröffentlichung in
Umgangssprache, die Galilei zu einer Gefahr für
das bestehende System machten. Eine wichtige Rolle
spielte dabei auch die Erfindung des Buchdrucks,
durch den es zu einer zunehmenden Demokratisierung
von Information kam, die die absoluten Autoritäten
von Kirche und Monarchen gefährdete.
Das Ende des Mittelalters wurde unter anderem
durch das Auftreten der Pest eingeläutet, die im
14. und 15. Jahrhundert in vielen europäischen
Städten wütete.
Spätkapitalismus
Trotz klarer Evidenzen bezüglich der
Auswirkungen der zeitgenössischen Marktwirtschaft
auf die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen
hielten die kapitalistischen Eliten an ihrem
Wertesystem fest. „Der Markt reguliert sich
selbst“, war die geltende Maxime, die gut mit dem
Glaubenssatz der Erde als Zentrums des Universums
zu vergleichen ist. Wie die Sterne um die Erde und
die Bauern um den König musste sich die gesamte
spätkapitalistische Gesellschaft um das Geld
drehen, damit das aktuelle System aufrechterhalten
werden konnte. Opfer, wie die Flüchtlinge an den
europäischen Außen-grenzen, wurden dabei von
kapitalistischen Eliten bereitwillig als
Kolla-teralschäden in Kauf genommen. Die
zunehmende Vereinsamung der Menschen im
Großstadtdschungel (einem Begriff, der heute eine
doppelte Bedeutung trägt, hat doch die Natur die
meisten Großstädte inzwischen zurückerobert),
zeigt sich besonders deutlich an der Fülle von
Medien-dokumenten, die die spätkapitalistische
Gesellschaft produziert hat. Beginnend mit der
Industrialisierung hatten sich die Menschen
zunehmend voneinander und der Natur entfernt.
Diese Entfremdung war dabei eines der zentralen
Mittel der Kontrolle der kapitalistischen Eliten.
Anders als häufig angenommen, steht sie nicht im
Widerspruch mit der propagierten
Hyperverbundenheit über sozialen Medien, sondern
wird von dieser weiter befeuert. Auf sozialen
Medien wurden Beziehungen auf einer performativen
Ebene gestaltet, die stark an den
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