Der thematisierte Begriff fasst also etwas zusammen: Aufwand und Widerstand, Kraft und genutzte Mittel, genauer: das Kreuzprodukt einer vektoriellen Größe mit ihrem Ortsvektor, bzw. die Ursache von Biegung, Torsion und Drehbeschleunigung. (wikipedia, s.o.)

Ausgehend von der o.a. Vektorisierung ist es relevant, die Kraft (F) mitzudenken, die ein Objekt in Umdrehung versetzt, bzw. die bei einer Drehung wirksam wird, bzw. die das Phänomen Drehung zur Erscheinung bringt. Je größer der Abstand, um so geringer muss die Kraft sein und umgekehrt.

Was kann KünstlerInnen an der o.a. Formel interessieren?
Die physikalische Formel ist zweckorientiert fokussiert. Es wird eine Kraft angenommen, die aktiv und machtvoll über eine gewisse Strecke hinweg auf ein passives Element einwirkt und dies zur Drehung veranlasst.

Wir möchten diesen Fokus öffnen, die Abstraktion dieser Gleichung in einen konkreten Erfahrungsbereich zurückführen und ausweiten, bzw. den Moment verlangsamen, dehnen, seine Funktion in andere Zusammenhänge überführen, um sie zu erkennen.

Zu fragen wäre z.B., in welchen Situationen jenseits der Mechanik wird ein Eingriff vorgenommen, wonach eine Drehung zu beobachten ist und wer oder was wird dabei wirksam? Was war die Tendenz der Form, bevor es zur Drehung kam? Wurde die Drehung von innen oder von außen veranlasst? Welchen Sinn ergab die Drehung im Spannungsfeld von Freiheit und Notwendigkeit?
Überraschend an dem Begriff Drehmoment ist zudem, dass der Teilbegriff MOMENT nicht zeitlich aufgefasst wird, sondern in seiner ursprünglich aus dem Lateinischen kommenden Bedeutung momentum _ bewegende Kraft, Ausschlag zur Anwendung kommt.

Also z.B. wie wäre die bewegende Kraft (F) zu denken, zu visualisieren, die die Erde veranlasst sich fortwährend um die eigene Achse zu drehen. (Glücklicherweise tut sie das ja auch weiterhin, - einmal angestoßen - nach den Gesetzen des Kosmos trotz allem Chaos auf ihr). Oder welche unsichtbare Kraft gab den Ausschlag, dass der Samen einer Linde sich dreht, wenn er im Herbst vom Baum fällt?

Im Gegensatz zu der sich zeitlebens windenden Doppelhelix der DNA bezieht sich das Drehmoment immer auf Situationen, die einem kraftvollen Willen, einem Impuls, entsprechen, der auf eine Änderung zielt, wobei die Änderung kein Bruch, Knick o.ä ist, sondern eben eine Drehung, die implziert, dass das Element, auf das die Kraft einwirkt, sehr widerständig, aber nachgiebig ist.
In mancher Hinsicht hat das Drehen keine gute Fama:
Vom Rad des Schicksals sollte man sich im Laufe seines Lebens zu lösen in der Lage sein, obwohl es sehr schwer zu erkunden ist, welche Kraft dieses antreibt.
Der antike Sänger Orpheus hat seine geliebte Eurydike in der Unterwelt verloren, weil er sich beim Weggang doch wieder nach ihr umgedreht hat. Hat dabei eine Kraft von außen auf ihn eingewirkt?

Andererseits: Wenn sich jemand in eine Richtung verrannt hat, sollte er den Mut haben, die Kraft aufbringen, sich zu wenden und ein Stück zurückzugehen, um neu anzusetzen. Die Frage ist überhaupt, ob die Kraft (F) immer außen ansetzt oder auch von innen kommen kann. Was veranlasst eine Linie, sich zum Kreis um einen imaginären Mittelpunkt zu runden?
                                                                 digitale Grafik 
Im Bestreben, ein ewiges Leben im Hier und Jetzt selber zu konstruieren, ist das Prinzip des perpetuum mobile https://de.wikipedia.org/wiki/Perpetuum_mobile, ein bisher immer noch nicht erreichtes Ideal. Die mit einem Anfangsimpuls initiierte Drehbewegung wird gern genutzt, um die unaufhörliche Bewegung eines materiellen Objektes irgendwann zu erreichen.

Übrigens war es bei der Erstkonstruktion des Automobils besonders problematisch, das Auto kurventauglich zu machen. „Benz baute (...) das erste Differentialgetriebe, das den Antriebsrädern bei Kurvenfahrt die unterschiedlichen Geschwindigkeiten ohne Rutschen erlaubte. http://heureka-stories.de/Erfindungen/1886---Das-erste-Auto/Die-ganze-Geschichte
Wieso war die Kurvenfahrt ein Problem? Welche Kräfte traten in Konflikt miteinander?

Die Kraft, die das Rad zum Drehen veranlasst, kann berechnet werden, wie oben angegeben. Was diese Kraft aber existentiell ist jenseits physikalischer Berechnungen, wird in der o.a. Gleichung außer acht gelassen.

Künstler und Künstlerinnen, die sich für dieses Themenfeld interessieren, senden bitte bis zum 26.09.16 ein Kurzkonzept mit mindestens einer Skizze o.Ä. sowie einer CV an info@einstellungsraum.de.



EINSTELLUNGSRAUM e.V., im August 2016

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