Zu Elementen, die tatsächlich Bestandteil des künstlerischen Prozesses gewesen sind, treten solche, die nicht-funktional, also nur durch ihre Wirkung in einem bedeutungsstiftenden, also narrativen Zusammenhang relevant sind.

Im Galerieraum des Erdgeschosses steht eine Versuchsanordnung, die über einem Wasserbecken aus entgegengesetzter Richtung zwei Impulse stark komprimierter Luft abgeben kann. Darüber ist ein Blitzlicht angebracht, das wiederum ermöglicht, die Interfe- renzmuster und Schatten der Wellen und Wasserspritzer, die durch die Kollision der Luft- massen auf der Wasseroberfläche entstehen, nach der Art eines Photogramms aufzuneh- men. Als Hinweis auf die Durchführbarkeit und zugleich die Massivität des vorgestellten Ereignisses, hängt ein symbolischer Gehörschutz an der Apparatur.

Ein zweiter Teil dieser Installation ist die schwarz gestrichene, mit wenigen Löchern perforierte Abdeckung von Fenstern und Wänden. Sie erinnert an Schutzfolien, die in verschiedensten Zusammenhängen gebräuchlich sind, und die wiederum auf Vorgänge verweisen, die ihre Umgebung stark in Mitleidenschaft ziehen können oder sogar ein Maß an Gefährdung mit sich bringen.
Die Verdunklung des Raumes erinnert zudem an eine Dunkelkammer, also an den Ort eines künstlerischen Prozesses, der sich wissenschaftlicher Verfahren bedient. Gleichzeitig ist dem Rezipienten aber bewußt, dass die Abdeckung weder den einen, noch den anderen praktischen Zweck erfüllen würde, dass sie nur Teil einer Inszenierung ist.

Die Chronologie der Narration wird fortgesetzt im Kriechkeller des EINSTELLUNGSRAUM. Hier ist eine Dunkelkammer mit den verschiedenen Becken für Entwickler, Wasser und Fixierer nachgestellt. Eine Reihe von mißlungenen Abzügen auf dem Boden suggeriert, hier hätte ein zweiter Arbeitsschritt stattgefunden, eine Trial-and-Error-Suche nach einem befriedigenden Ergebnis, in dem der Künstler seine Gestaltungsabsicht am treffendsten repräsentiert findet.
Doch auch diese Anordnung ist deutlich als Kulisse zu erkennen, da sie weder über eine ausreichende Lichtabschirmung, noch über Rotlicht, geschweige denn eine praktische Arbeitshöhe verfügt.
In dem zweiten Kellerraum schließlich werden die Ergebnisse des künstlerischen Prozes- ses präsentiert: Die Photogramme von Interferenzen, die von Druckentladungen oder Steinwürfen im Wasser gebildet wurden.
Diese beschriebenen Elemente bilden das formale Gerüst der Narration, ihre Architektur. Doch das rein formale, technische Arrangement kann über die inhaltliche Ebene eines Kunstwerks, trotz formaler Kohärenz, ebenso wenig aussagen, wie das formale Schema des antiken Regeldramas oder der mythischen Heldenreise über die dem Werk eigenen inneren Bewegungen und das darin behandelte, spezifische menschliche Drama.
Was also geschieht auf der inhaltlichen Ebene der Installation? Welche akuten Vorgänge und welche Verweise auf die conditio humana behandelt die vorliegende Narration?

Der initialisierende Impuls sind zwei Luftmassen, die mit hohem Druck frontal aufeinander losgelassen werden. Hier begegnet uns die Referenz auf das Jahresthema des EINSTELUNGSRAUM: Keine Wendemöglichkeit. Dem Axiom der Energieerhaltung zufolge, ist die Kollision der beiden Luftmassen unausweichlich. Das, was diese Massen jedoch gegeneinander zwingt, ist eine Maschine, ein Objekt aus der rein utilitaristischen Sphäre der Technik.
Die Unausweichlichkeit und Erbarmungslosigkeit dieser erzwungenen Konfrontation wird durch das seit der Romantik tradierte Narrativ der Maschine als bedrohlicher Widerpart von Mensch und Natur verstärkt.

Doch die Konfrontation, die sich im Ausstellungszusammenhang nur in der Vorstellung des Rezipienten ereignet, bleibt so unsichtbar, wie auch in der faktischen Durchführung. Sie muß erst sichtbar gemacht werden.
Bereits in diesem Schritt tritt das menschliche Element in den Prozess ein und stört die sonst kontrollierte Versuchsanordnung: da der Blitz einen Sekundenbruchteil nach der Entladung stattfinden muß, damit eine Wellenbildung auf dem Wasser erst stattfinden kann, löst Marcel Große ihn per Hand aus.
Hier wird ganz gezielt das Momentum des Zufalls und der Unbestimmtheit in den Prozess integriert, die mangelnde Perfektion des Menschen, der sich immer nur an die idealtypische Ausführung der Aufgabe annähern, sie aber nie erreichen kann, es sei denn wiederum durch den Zufall.
Ein weiterer Grund für die bewußte Verzögerung der Belichtung liegt in der Intention des Künstlers begründet, nicht die Kräfte in ihrer Bewegung aufeinander einzufangen, sondern die Effekte zu beobachten, die sich unmittelbar nach der Kollision ergeben. Wenn die Luftmassen einander nicht ausweichen können, wohin bewegen sie sich, welche Auswirkung hat ihr Zusammenprall?
Präsentation
Vernissage
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