Insofern zeichnet er formulierend, geht sogar immer erst mal von der Form aus, wie er sagt, von Geometrien oder organischen Formen aus der Mikroskopie, von Blutkörperchen z.B.
Dann beim Zeichnen stellt sich die Empfindung ein, Bezug zum Metaphysischen. "Die Empfindungen sind nicht dargestellt, sondern sie stellen sich beim Zeichnen ein".
Empfindung ist generell eine Vorstufe der Wahrnehmung. Zum Begriff der Wahrnehmung, erlauben Sie bitte diesen kleinen Exkurs, hatten wir eine Vortragsveranstaltung im Juni 2005. Prof. Dr. W. Dauch vom Zentrum für schwerst Schädel-Hirnverletzte im AK Eilbek formulierte ausgehend von seiner Forschung, dass Wahrnehmung Hypothesen- bildung sei. Diese Hypothesen hülfen sozusagen wie Krücken, sich in der Welt überhaupt mal aufzuhalten.
Traditionell, sei bemerkt, gibt es die Hoffnung, dass diese jeweils persönliche Welt sich einmal zu einem Paradies wandeln möge.

Welche Empfindungen als Vorstufe von Wahrnehmung mutet St. Oppermann seinem Protagonisten in den Zeichnungen zu?
Sie werden es für sich beim Betrachten entscheiden.
Im Vorgespräch mit ihm einigten wir uns auf die Empfindung von Pein, Einschränkung, Endlichkeit, Eingespanntsein in Lebenssituationen und die Möglichkeit und Unmöglichkeit der Entfaltung.

Was ist da eingespannt in was?
In der Beantwortung dieser Frage kommen wir zu dem, was am Anfang formuliert wurde:
Diese merkwürdigen technischen Interieurs ohne Ort erzählen von einem hellen, gleichsam solipsistischen Wesen, einem Wesen ohne Du. Das Gegenüber ist das Gerät. Dieses kleine Wesen ist wohl männlich, aber nicht in solch offensiver Art, wie es unsere Sport- und Kampfwelt züchtet. Von der Gestalt her als homo sapiens zu identifizieren, als  homo faber jedoch zu passiv. Es ist jedenfalls kein Individuum, kein Subjekt.
Es hat keine Frisur und keine persönlichen Merkmale, ist mehr ein Stereotyp. Selbst wenn es vierfach oder vielfach erscheint, ist es doch immer das Gleiche. Eben solus, solipsistisch, eigentlich nicht ganz da.

Für St. Oppermann ist es gleichsam ein Stellvertreter, ein Dummy wie aus Crashtests, eigentlich ein geschlechtsloses Wesen.
Positiv formuliert ist es jedoch die eigentliche Ursache, die innere Kraft der technischen Gebilde, der Hüllen und Gestelle. Was sonst sollte das Innere des Autos quellen lassen, was den Blickkegel schaffen? (Hinweis auf betreffende Zeichnungen)

Haben wir damit nebenbei bemerkt auch einen Ansatz für die zeitgenössische Treibstoffdebatte?

Dieser unpersönliche Dummy könnte auch als eigentlich verborgener Seelenkörper gesehen werden, als überpersönliches Wesen, als immante Ursache. Anders als bei Leonardo oder Vitruv ist er aber nicht das Maß aller Dinge, sondern bildet mit seinem Nabel einfach das Zentrum eines Rades, in dem er nun mal steckt wie der Geist in der Flasche. Diese Umformulierung des Vitruvrades hat genau die Ambivalenz, in die Stefan O. uns entlässt. Wir können entweder die Symbiose zwischen Geist und Form schätzen, oder die Ohnmacht des Menschen in seinen geschaffenen Geräten sehen. St. Oppermann sagt: "Wir Menschen schaffen uns die Objekte, damit wir weiter kommen. Oft wenden sich diese Objekte aber gegen uns. Jenseits dieser Geräte gibt es NICHTS."
Kein Paradies? Es kommt auf Ihre Betrachtung an. Das Begehren, das Werden- und Wachsenwollen lässt dieses Wesen auf der Suche nach einer besseren Welt in viele Richtungen schweifen, schweben, immer ist es aber an seine Definition in der zweidimensionalen Zeichnung gebunden. Jenseits davon ist... keine Ausstellung. Das Paradies?



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