Dabei wählt er auch gerne Details, die auf einen politischen Zusammenhang jenseits der Kunst verweisen.

Die Absicht, die dem Betrachter gegenüber hierarchisch lineare und erhabene Position dessen, was Kunst ist, zu unterwandern, findet auch formal ihre Entsprechung: Der rosafarbene, von Künstlern wie Rilke oder Polke in den Stand des Kunstobjekts erhobene, höchst erhabene Flamingo, der auch auf der Einladungspostkarte zu sehen ist, tritt nicht selbst in Erscheinung, sondern nur seine Nester. Und worin brütet er seine Eier aus? In Nestern aus seiner eigenen Kacke. Zitat Biesemann: „Erhabene Kunst - und dann sowas!“
Auf diese Nester, die von Jahr zu Jahr wachsen, projiziert Biesemann Videos, die üblicherweise nur auf schieren Monitoren oder Projektionsflächen gezeigt werden, oder er pflanzt kleine Bildhalter darauf, die den Betrachter nötigen, sich zu bücken. Durch diese von der Installation erzwungene Haltung und durch die Choreographie, zu der der Betrachter genötigt ist, während er sich einen Weg durch den Parcour der Flamingo- nester sucht, wird der Betrachter selbst zu einem Teil des Werkes.



Aber nicht nur der Betrachter wird in das Gewebe der Installation gezogen, auch der Künstler selbst ist darin integriert in Form eines Selbstportraits: auf einem Photo von einer anderen, ursprünglich unabhängigen Performance, gedruckt auf das Malmedium Leinwand, aufgezogen auf einen Liegestuhl, sehen wir den Künstler in der Maskerade eines urbanen Voodoo-Priesters. Von diesem Liegestuhl aus betrachtet er sein Werk, von dem er zuvor selbst ein Teil geworden ist.
Der Liegestuhl verlockt zudem den Betrachter, sich in die Position des Künstlers bei der rückbezüglichen Befragung und Betrachtung seines eigenen Werkes zu versetzen, und in dem ungezügelten Durcheinander der Bezüglichkeiten der Objekte im Raum eine von vielen offenen Deutungsmöglichkeiten herauszulesen.


So finden Sigrüner und Biesemann, einerseits durch den kontemplativen Minimalismus, andererseits durch eine provozierende und sich verselbständigende Komplexität und Vieldeutigkeit, und in beiden Fällen durch eine betonte Selbstreferenz ihrer Werke zu einer eigenen Stimme,  einer eigenen Stille inmitten des Geräusches auf den Gassen der Kunstwelt.

ⓒ Dr. Thomas Piesbergen / VGWort, September 2015

Die 07. Ausstellung im Jahresprogramm Wo Geräusch auf der Gassen ist, da gehe fürbaß (M.Claudius, 1799)
des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 

Vernissage
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