evangeliums durch die Genesis
konterkariert und zu einer den Status des Zachäus
gefährdenden Versuchung. Diese Veränderungen zeigen, wie
sich der oben beschriebene Bildfindungsprozess von den
Zwängen, wie sie mit der Erstellung eines Auftragswerks
verbunden sein können, gelöst hat. Hierdurch wird die
Doppelbedeutung des Verstecks im Baum als ein Ort der
verbesserten Sicht und als ein Ort des Verstecks in das
Bewusstsein gerückt. Der Ort der Flucht und des
Verbergens kann durch das Suchen und Finden ein Ort der
Annäherung werden.
II. Das befreite Verhältnis zu Konventionen und Regeln Beim Vorgespräch übergab mir Edith Sticker Notizen, die sie zur Vorbereitung dieser Ausstellung gemacht hatte. Ausdrücklich wies sie mich auf eine Stelle aus meiner Dissertation hin, in der ich Paul Klee zitiert habe: „Die Phantasie ist in der Tat meine, ihre, unser aller größte Gefahr und der fatale Irrweg der sogenannten Künstler, Ausweg für alle, die ohne Schau in die geistige Wirklichkeit sind und diese bewusst oder unbewusst vortäuschen. Wir müssen ganz aufrichtig und getreu der Bewußtseinsverlagerung dienen, die unsere Generation erfahren hat und erfährt. Sie wie ich, und wir alle hier. Ich sage es oft, aber es wird manchmal nicht ernst genug genommen, dass sich uns Welten geöffnet haben und öffnen, die auch der Natur angehören, aber in die nicht alle Menschen hineinblicken, vielleicht wirklich nur die Kinder, die Verrückten und die Primitiven.“ 6 Diese Erinnerung an das von mir ausgewählte Zitat hat mich von neuem an die Macht des Vorsprachlichen und ungewöhnliche Bildfindungsprozesse erinnert, deren Auswirkungen in der Performance-Art mich vor 25 Jahren interessiert hatten. Mir war klar geworden, wie leicht gestische Äußerungen unter der Decke der Versprachlichung zum Schweigen gebracht werden können, ehe sie wirklich in Diskurse einfließen und sich kollektiv befestigt haben. Diese Prozesse erfordern deshalb so viel Aufmerksamkeit wie Behutsamkeit. Seien es die Träume, die am Morgen nur eine gewisse Spanne lang zur Verfügung stehen oder sei es ein Bild, das in einer Kleiderfalte einen Moment lang erkennbar ist; beide lösen sich unwiederbringlich auf, wenn der Moment verpasst wurde, sie so aufzuzeichnen, dass sie der |
Erinnerung erneut zur Verfügung
stehen können. Paradoxerweise erfordern diese Momente
aber neben dem Bild auch die Sprache, damit sie in die
Welt der Kommunikation eingeschleust werden können. Doch
verlaufen diese Prozesse nicht schnell und geschäftig.
Ein Mittel gegen das Er- sticken dieser Mitteilungen
liegt zunächst darin, ihnen eine skizzenhafte Gestalt zu
geben, was sie aber noch keineswegs an das Tageslicht
befördert. Möglicherweise ist es das, was Klee gemeint
hat, als er davon sprach, dass wir der
„Bewusstseinsverlagerung dienen“ müssten. Die
Abstraktion ist kein Hirngespinst und muss nicht
erfunden werden, sondern sie ist die konkrete Basis
aller Zeichen, deren Ursprünge wiedergefunden werden
können, weil sie nie verloren gegangen sind.
Wahrscheinlich liegt diese „Bewusstseinsverlagerung“ in den Übergängen vom Schlaf zum Wachen, von der Kindheit in die Pubertät, von der Jugend in das Erwachsenenalter und vom Leben in den Tod sowie von einer Generation zur anderen und einer Epoche zur nächsten. Die „Bewusstseinsverlagerung“ liegt wohl auch im veränderten Zeitgefühl in einer Trance und wird während der Übergänge von Tages- und Lebensrhythmen, in der Meditation etc. wirksam. Das Dienen meint die Aufmerksamkeit und die Routine, die diesen Umständen zu schenken sind, die so fragil sind, dass sie nicht mit den konventionellen Mitteln der Abbildung und der Beschreibung in die Zonen des Bewusstseins und der Sichtbarkeit gezwungen wer- den können, in denen sie sinnlich und intellektuell erfasst werden, was höchste Aufmerksamkeit und Konzentration erfordert. Die Äußerungen Klees thematisieren dies und fordern dazu auf, diesen Übergängen Aufmerksamkeit zu schenken, die es ermöglicht unter Ausschaltung der willentlichen Bildfindung die Gedanken- und Traumspuren einzufangen, die aus dieser „Zwischenwelt“ kommen, von der Klee ebenfalls spricht: „Zwischenwelt nenne ich sie, da ich sie zwischen den unseren Sinnen äußerlich wahrnehmbaren Welten spüre und innerlich so aufnehmen kann, dass ich sie in Entsprechungen nach außen projizieren kann.“7 Man kann sich wohl vorstellen, wie zerstörerisch es sich auswirken würden, wenn im gestischen Nachvollziehen der Eindrücke dieser Zwischenwelt die „Phantasie“ die leisen Töne verzerren oder „Kreativität“ die zarten Schatten auflösen würde, durch die eine Umschichtung der ikonographischen Vorgaben den Transport von Zeichen, Symbolen und Bildern durch die Jahrtausende sicher stellt. |
6 Zit. nach einer
Zusammenstellung von Zitaten Paul Klees im Anschluss
an: Tilman Osterwold: Louis Sutter und Paul
Klee. Instinkt und Bewußtsein, in: Zweite, Armin
(Hg.), Louis Soutter (1871-1942) Zeichnungen, Bücher,
Fingermalereien (Ausstellungskatalog), München, Bonn,
Stuttgart 1985, S. 41-45. Osterwold wählte das Zitat
aus Lothar Schreyers Erinnerungen an Sturm und Bauhaus
(München 1956) aus. S. 46 |
7 ebd. |
Die 08. Ausstellung im
Jahresprojekt Autos
fahren keine Treppen des EINSTELLUNGSRAUM e.V. |
Vernissage |
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg | |
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