Welling bat 16 argentinische Künstler sich einen Titel auszusuchen und dann einen eigenen Text zur ausgewählten Collage zu formulieren. Anschließend traf sie sich mit jedem Künstler in je einem anderen Café in Buenos Aires und filmte sie während sie ihren Text vorlasen. Dabei bleibt offen, ob die Geschichten je private Erinnerungen der partizipierenden Künstler oder frei erfunden sind. Die Texte, obwohl zum Teil zur selben Collage verfasst, zeigen so unterschiedliche Emotionen wie Orte in Buenos Aires und führen damit auf charmante Art die Kernqualität von Wellings Arbeiten vor:

Obwohl es sich bei allen Collagen insgesamt um eine sehr persönliche, individuelle Auseinandersetzung der Künstlerin mit ihrer eigenen Verortung im Kontext der heutigen, rasanten und von digitalen Prozessen geprägten Lebenswelt handelt, schafft sie es durch den abstrahierenden Prozess des Zoomens und Neu-formatierens der Pixel eine Projektions- sowie Assoziationsfläche zu entwickeln, in der jeder Betrachter seine eigene individuelle Geschichte finden kann. In jedem Fremden steckt auch ein bisschen das Eigene.


Die Tatsache, dass ein ganz spezifischer Punkt eines privaten Fotos, das zusätzlich noch mit einer persönlichen Erinnerung betitelt ist, dennoch in jedem Betrachter eigene Erinnerungen und Bilder aktivieren kann, verdeutlicht sehr präzise wie wir uns heute durch das manische Anfertigen digitaler Bilder und den Konsum solcher neue Identifikationsmuster sowie eine neue Form von Erinnerungskultur erschaffen. Erinnert wird, was archiviert wird. Ab einem bestimmten Punkt verblassen eigene Erinnerungen und vermischen sich mit den notierten – ein Prozess, der seit jeher so abgelaufen ist, sich aber nun durch das Tempo unserer Zeit und die technischen Möglichkeiten auch auf unser ganz privates Alltagsleben ausweitet, sodass nicht mehr bloß kollektive gesellschaftliche Ereignisse schneller als je zuvor Geschichte werden, sondern ebenso unsere individuellen Erlebnisse.

Das Gesamtarrangement von bunten, aus dem Digitalen befreiten, Pixeln auf Papier, den Titeln sowie den Datei-Informationen auf der Rückseite der Collagen und dem dazugehörigen Film, regt auf eine verspielte Art zu einer durchaus kritischen Reflexion über unseren Umgang mit persönlichen Daten, den Massen von Informationen, die wir täglich produzieren und konsumieren sowie unserer Fähigkeit den gelebten Moment zu erfassen an.

Dies jedoch stets ohne wertend zu werden, was den gedankliche Zoom in das Nachdenken über das eigene Verhalten umso leichter erscheinen lässt.


Vernissage
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, Bezirk Wandsbek und VG-Bildkunst, Bonn
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