Hinter der erhofften kleinstmöglichen
Einheit, in der der Mensch lange ein sicheres Fundament
einer deterministisch beschreibbaren Welt wähnte, lauert
einmal mehr eine verwirrende Vielheit und - noch viel
schlimmer - eine unüberwindliche Unbestimmtheit: die
Unschärfe, die Quantenfluk- tuation, die unendlich
komplexe Verschränkung auf der Ebene der
Quantenwirklichkeit. Vor diesem Hintergrund können wir die Schraffuren von Almut Middel lesen: als atomare Wahrscheinlichkeitswolken - oder als die erste Expansion der uranfänglichen Singularität. Es sind kaum wahrnehmbare, äußerst feine Gespinnste, die in eine runde Fläche beschreiben, in deren Zentrum sie sich verdichten. Was zunächst homogen grau wirkt, erweist sich aus der Nähe betrachtet als bunt, analog dem Weißen Rauschen oder dem weißen Licht, in dem sich alle Töne bzw. alle Farben verbergen. Denn der erste Symmetriebruch hat sich bereits ereignet. Versucht man jedoch die einzelnen Elemente, die einzelnen Buntstiftstriche mit dem Blick zu fassen, beginnt das Gewebe der feinen Linien zu flimmern, zu verschwimmen und entzieht sich unserem Zugriff, analog der Unschärfe der subatomaren Regionen. |
Und obwohl wir diese
vermeintliche Einheit vor unseren Augen wieder in eine
unwägbare Vielheit zerfallen sehen, ist sie doch der
einzig denkbare, da materiell faßbare Ausgangspunkt der
formativen Prozesse, die von der Mikrosphäre bis in die
unwägbar komplexe Makrosphäre führen, um sich dort
erneut zu verlieren.
Auf dem Weg von dem einen zum anderen Extrem streifen wir noch einmal die Mesosphäre: Für sie steht ein bescheidenes pilzartiges Objekt aus Bauschaum. Auch bei diesem Objekt stand zu Beginn der sich selbst überlassene Vorgang des Aufschäumens der ausgespritzten Masse, die wolkige Selbstorganisation. Doch diesem Spiel mit dem Zufall wurde anschließend der Gestaltungswille des Menschen gegenüber gestellt: die gezielte Überformung, der schnitzende Eingriff, das Modellieren. Nur in diesem Zwischenbereich der Mesosphäre ist das menschliche Agieren und Begreifen-Wollen möglich, sinnvoll und relevant. An den extremen Polen der Wirklichkeit verliert es jeden Halt, jede Relation; es greift ins Leere und wirft uns schließlich auf uns selbst zurück. ⓒ Dr. phil Thomas J. Piesbergen / VG Wort, 2016 |
Ausstellung |
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Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek | |
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