Suese Itzel: Wir haben so schön geschlafen

In einer Passage sehen wir eine durch Farbfelder strukturierte Fläche, die an Mondrian erinnert, eine Abstraktion, eine Interpretation des Status Quo. Diese Fläche aber entpuppt sich als ein Objekt aus weißen Quadern, die von der Zwei- in die Dreidimensionalität hinausgeschoben werden können und sich damit aus dem Reich des Ideellen und der abstrakten Interpretation in die Faktizität der Körper begeben.
In diesem Objekt mag man einen Verweis darauf erkennen, daß die Grundlagen, aus denen Langloh seine Ideen entwickelt hat, theoretischer und ideologischer Natur waren, daß sie auf einer Interpretation des Status Quo fußten, nicht auf einer unmittelbaren Reaktion auf die Lebensbedingungen.

In einem anderen Abschnitt sieht man eine weiß kassettierte Decke. Wie im Fall des eben genannten Objekts setzt plötzlich eine Bewegung ein. Doch diesmal ist es keine, die eine  körperliche, architektonische Form hervorbringt, sondern eine, die ein architektonisches Element dekonstruiert. Die einzelnen Kassetten setzen sich durch an Sehnen schwingende Gewichten in Bewegung, bis schließlich die ganze Decke des Raumes wie eine Wasseroberfläche wogt.
Der Glauben an die unerschütterliche, unabänderliche Faktizität der Architektur und ihre Wirkung wird in Frage gestellt. Die Kassetten sind kein sicherer Grund mehr, entpuppen sich als etwas Unzuverlässiges, Bewegliches, das sich der Kontrolle des Architekten entzieht, sobald unvorhergesehene Kräfte darauf einwirken.
Durch die Montage tatsächlicher und fiktiver Momente der Biographien von Ernst und Wilhelm Langloh mit Zitaten aus Bölls Roman und den kinetischen Objekten entwickelt Suse Itzel eine fragmentarische mögliche Variante der Biographien, nach der der Architekt selbst federführend bei der Zerstörung seines Werks war, vielleicht aus Scham über die Naivität zu glauben, es reiche eine gute Architektur, um die Menschheit seelisch und moralisch zu verbessern, vielleicht aus der verbitterten Überzeugung heraus, die Menschen, die die Grauen der Naziherrschaft und des 2. Weltkrieges maßgeblich mitgetragen haben, verdienten keine gute Architektur, vielleicht auch aus der Erkenntnis heraus, daß auch der Versuch, Menschen durch architektonische Tatsachen bessern zu wollen, ebenfalls ein formativer und bevormundender Eingriff ist.

© Dr. Thomas J. Piesbergen / VG Wort, April 2017

Die 03. Ausstellung im Jahresprogramm DREHMOMENT des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Präsentation
Vernissage
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