In beiden Fällen wird die Seite gewechselt, der Spiegel durchschritten. Indem die Sprache des ehemaligen Kriegsgegners gewählt wurde, um die Bilder zu kommentieren, wird sein Blickwinkel auf das Geschehen eingenommen. Und in beiden Fällen sind es indirekt Traumatisierte, die, wie die Künstlerin selbst, versuchen, sich der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs auf subjektivem Weg zu nähern - Sebald in der zweiten, Foer in der dritten Generation.

Diesen Wechsel in die Sprache des ehemaligen Gegners vollzieht auch die Künstlerin selbst, wenn sie auf die Kirche ihrer Kindheit hinweist, deren Umriss auf einem der Bilder zu erahnen ist. Bei dem Versuch, die traumatische Welt des Krieges und die behütete Welt ihrer Kindheit, die so erschreckend nah beieinander liegen, auch weiterhin, wie in der Kindheit erlebt, voneinander geschieden zu wissen, floh sie aus dem Deutschen in die Sprache des Gegners und späteren Befreiers. Denn sich in dem Zeit- und Bildkontext des Nationalsozialismus der Sprache des Kriegstreibers zu bedienen, um auf die eigenen Wurzeln hinzuweisen, wäre für sie gleichbedeutend gewesen, sich mit den Deutschen von damals gemein zu machen und auf ihrer Seite der Grenze zu verharren, sich und die eigene Vergangenheit vereinnahmen zu lassen.
So folgen wir der Künstlerin in einem steten Grenzgang zwischen dem Innen und Außen, zwischen Aneignung und Abgrenzung und können daran die Spur ablesen, die sich in einem subjektiven Realitätskontinuum eingeschrieben und so die Wirkmächtigkeit des Traumas erkennen, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat.

Wir können durch eine subjektive Schneise, die die Künstlerin durch das Dickicht öffentlicher Geschichtswahrnehmung geschlagen hat, einen erschreckend unmittelbaren Blick auf die große, schwärende Wunde werfen, an der unsere Gegenwart noch immer leidet.
Die 06. Ausstellung im Jahresprogramm SCHNEISEN  des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
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in Begleitung von Brigitte Engel-Hiddemann: ERINNERN
Vernissage
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek 
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