Als ich dann nach dem Krieg an der Universität Philosophie studiert und später also Assistent, Dozent, Professor für marxistische Philosphie in Rusliand wurde- nebenher gesagt eigentlich war mein Spezialgebiet Geschichte der deutschen Philosophie, deswegen auch meine Dissertation über Heidegger, bzw. meine Arbeit über Marcuse als Habilitationsschrift, aber ich möchte nur an drei Thesen des Wachstums erinnern, vielleicht- der eine oder andere hat vielleicht Ideen über Marxismus/Leninismus-, ging davon aus, dass der Übergang zur zukünftigen, vielleicht zu einer neuen Gesellschaft, die vielleicht eine sozialistische Gesellschaft ist, nur dann möglich ist, wenn a) in diesem Land der Kapitalismus sich voll entwickelt, wenn die Arbeiterklasse in diesem Land die absolute Mehrheit hat und wenn dieser Übergang nicht in e i n e m Land, sondern in allen, oder zumindesten in den wichtigsten europäischen kontinentalen Ländern sich vollzieht.
Das sind die Dinge, die der Marxismus/Leninismus in stalinscher Form alle ablehnt.  Der Aufbau isoliert in der Sovietunion, in der es keine große Arbeiterklasse gab, ja, und der Absage an den Glauben, dass die Weltrevolution vielleicht doch noch helfen könnte usw.  Das war die Idee, die im Buch stand, als junge Studenten, die Verlegenheit machte, nicht nur ich sondern viele andere.

Ein zweiter Grundgedanke, der nicht mit den Ideen den Marxismus/ Leninismus in Übereinstimmung zu bringen war: Was verstand Marx unter ,Sozialismus', dem zukünftigen, den es gar nicht gab, und insofern so war auch Marx ein Utopist, hatte nur eine Idee, eine Ideee von dem, was er noch nicht kannte.  Eine Gesellschaft, in der die allseitige Entwicklung jeder menschlichen Persönlichkeit die Grundlage sein wird für die allseitige Entwicklung aller andern Mitglieder dieser Gesellschaft. Natürlich nicht aller, ja? Gut!
Noch ein letzter dritter Gedanke- wenn sie mal das Buch von Walter Leonhard lesen werden die Revolution entlässt ihre Kinder, dann werden sie dort auch mich erwähnt sehen.  Denn ich war mit ihm zusammen auf dieser Komintern-Schule, wo wir 1942/43 für den illegalen Einsatz im Nazideutschland ausgebildet wurden unter anderem Namen.
Eins der erschütternsten Probleme, wo ich damals 20 Jahre alt war, war das Problem, dass viele sovietische Kommunisten den Standpunkt vertraten: Das Ziel heiligt die Mittel.

Und dass eigentlich das ein Gedanke war einer Ethik, die überhaupt nichts mit dem eigentlichen Marx, mit dem eigentlichen Marxismus, mit den eigenen Vorstellungen von Marx oder von der Zukunft zu schaffen hatte.  Und das ist auch etwas, woran die Sovietunion zugrunde gegangen ist.-

Nr.4: So und jetzt das letzte Pünktchen - Sie können mich mit Fragen ergänzen, bitte-
Die letzten 10 Jahre meines Lebens, erst in der Sovietunion dann in der URS... da habe ich ständig gearbeitet in der sogenannten Gorbatschowstiftung.  Der Zufall wollte es, dass ich in der Universität 1947 - 1952 mit einer netten jungen Studentin zusammen studiert habe, die hieß Raissa Titaren, später hiess sie Raissa Gorbatschowa.  Dadurch hatte ich auch einen, später einen gewissen persönlichen Zugang zu dieser Familie.  Aber das ist nicht das Entscheidende.  Das Entschei- dende war, dass ich die Entwicklung von der Gorbatschowstiftung in diesen 10 Jahren miterlebt habe.  Und hier möchte ich auch in aller Achtung von Gorbatschow reden.  Sehen Sie, die Wiedervereinigung von Deutschland, ja, kein Bürgerkrieg mit der bundesdeutschen Gesellschaft, ja, usw.
-Möchte ich doch auch etwas sagen.
Leider waren wir alle, auch Gorbatschow, auch Produkt dieser Entwicklung.  Ja.  Bis zum Ende glaubte Gorbatschow, dass er als Generalsekretär dieser kommunistischen Partei, diese Partei umgestalten kann. Dass er als Präsident dieser Sovietunion diese Sovietunion demokratisch umgestalten kann bis heute.  Was natürlich in der Form, wie er das gemacht hat, auch gescheitert ist.  Und das war eine sehr schwere Entscheidung, die er dann traf, nachdem er schon nicht mehr Präsident war und nicht mehr als Generalsekretär der Partei existierte - ich möchte darauf hinweisen, dass er in Wien 1994, auf dem damaligen Treffen der Sozialdemokraten sagte.  "Jetzt gebe ich auf, ich bin kein Kommunist mehr, ich gehe über zur Sozialdemokratie".  Ja, also, er ist rüber zu den Sozialdemokraten.  Aber auch hier ist auch das, was er versucht hat, was nicht gelingen konnte.  Gut.  Aber jetzt will ich aufhören.  Ich habe etwas überzogen.
(Applaus)


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