Pressetext:
Als
Beitrag zur Reihe SEELENKLIMA schaut das
Ausstellungsprojekt „Limited Liberty - Ich weiß
nicht wer ich sein werde (P.B.Preciado)“ - auf
die Spezies der Nacktschnecke (Arionidae) als
ein dys- und utopisches Transformationsmodell
der menschlichen Natur und folgt ihren Spuren in
Assoziationsbereiche einer wirbellosen
Populationsform des Planeten Erde.
Die Installationen, wie sie in den drei
Hamburger Ausstellungen des R&STkollektivs
für dieses Jahr 2021 geplant sind, lassen sich
im weitesten Sinne als Szenarien von Leben auf
dem Planeten lesen. Sie versichern uns
einerseits in Form eines greifbaren Bildes, das
die Wirklichkeit zu erklären mag. Als Modelle
gelesen provozieren sie jedoch durch
immanente Unschärfen eben jene Unsicherheiten,
vor denen sie schützen sollen.
Ein ähnlich ambivalentes Bild ergibt sich mit
dem Blick auf die Gattung der Nacktschnecken,
als Beispiel einer die Krisen des Planeten
überdauernden, sonderbaren Körperlichkeit und
Lebensform. Krisen der Gattung Mensch zeigen
sich zuerst an den Bildrändern ihrer
gesellschaftlichen Organisationsstrukturen.
Eröffnen sich von diesen Randbereichen des
Verstecken und Ausgesonderten her andere
Möglichkeiten des Lebens und Überlebens? Macht
es für die Gemeinschaft auf dem Planeten Sinn,
an einem radikal ausgrenzenden kapitalistischen
System festzuhalten, das mit einem Anspruch auf
ein Höchstmaß an individueller Freiheit
auftritt? Kann ausgerechnet Kunst, mit ihren
Idealen von Individualität und Diversität
alternative Handlungsräume einer sich selbst
gefährdenden Weltgemeinschaft entwickeln? Gibt
es gegenüber den Spuren der Machtausübung und
Kolonialisierung andere Silberspuren in der
Geschichte des Planeten? Welche Formen des
Wissens und der Weitergabe von Fähigkeiten
werden notwendig sein? Was schiebt auf der
anderen Seite, im Dunklen, jenseits des
Denkbaren, im Verborgenen?
Schnecken entwickeln
als Bauchfüßler in einer Kriechbewegung
Kommunikationsformen, auf meist unsichtbaren
Netzsystemen von Wegen. Sie hinterlassen Spuren
aus Körperschleim, einer hautähnlichen selbst
produzierten Substanz. Sie zeigen verlangsamte
Mobilität, körperliche Flexibilität und verfügen
über Methoden der Umkehrung und Umstülpung. Ihr
sensorisches System ist spezialisiert auf
verborgene Randzonen, auf Zonen der Dunkelheit,
der Feuchtigkeit. Sie nutzen wechselnde
Körper-Identitäten, bespielen so Räume zwischen
feminin und maskulin, zwischen innen und außen.
Drei Zonen
gliedern den Ausstellungsraum
1.
Messgeräte und Vorrichtungen machen äußere
Wetteraspekte sichtbar. Andere Elemente
fokussieren damit verknüpfte innere sensorische
Bereiche.
2. Temporäre Behausungen, Unterkünfte, Habitate
für Nacktschnecken werden objekthaft wie Modelle
von Siedlungsformen aufgebaut.
3. Flächen aus präparierten Leinwänden zeigen
Schleimspuren der Arionidae als Wegesysteme, als
seelen-topografische Aufzeichnungen
migrantischer Randbewegungen.
Das
R&STkollektiv befragt die Rolle
lokaler künstlerischer Äußerungen in Zeiten
pandemischer Verwerfungen und globaler Krisen.
Unterlegt wird das Projekt durch situative
Lesungen aus die Reihe der Planeten, ein
Manuskript des Kollektivs, das einen
performativen Subtext zu den
Ausstellungssituationen bildet.
CV:
Im Hamburger R&STkollektiv
sind Brigitte Raabe, Michael Stephan und PT
tätig. Alle drei absolvierten in den 80er
Jahren ein Studium der Bildenden Künste.
Brigitte Raabe und Michael Stephan arbeiten
seit 2004 als Künstlerduo zusammen. PT war
1999 Mitgründer des LIFEservice. 2009 begann
die gemeinsame Arbeit der drei Künstler*innen,
die dann zur Gründung des Kollektivs führte.
Im Zusammenhang der Projektreihe von
Haus zu Haus, KUNSTRAUM Tosterglope,
2013-15 entwickelten sie das Ereignisformat
einer AHP. Das Kürzel setzt sich aus den
Anfangsbuchstaben der Worte Aktion, Happening
und Performance zusammen. Es lässt sich auf
Alltags-Handlungs-Praxis oder alltägliches
Handlungspotential beziehen. 2019 wurde die
Publikation »Die
Reihe der Planeten« herausgebracht. Ein
Buch, das kein Buch sein will. Ausstellungen
u.a.: »Künstlerbücher für Alles«, Weserburg,
Zentrum für Künstlerpublikationen, Bremen,
2017; »Die Reihe der Planeten«, inszenierte
Lesung, R&STsalon, Hamburg, 2019; »The
Corona Lessons«, Wallnewspaperproject,
R&STschaufenster, Hamburg, 2020.
https://restkunst.net/
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