Einführung zur Ausstellung  „Schweißnähte der Seelenschaukel - Schweißnähte des Schleiers“ von Maria Hobbing per ZOOM, 19.05.2021.
Matthias Oppermann

Liebe Elke Suhr, liebe Maria, liebe Gäste,

Als mich Maria fragte, ob ich zu ihrer Ausstellung ein paar Worte sagen würde, sagte es in mir sofort „ja“. „Ja“ weil ich Marias Arbeiten sehr schätze, sie mich oft berühren und weil ich sie nicht verstehe.
Infolge wurde ich etwas unruhig und fragte Maria nach Material für meine Worte, ich wollte wissen, was mich da erwartet. Ich hatte nur den Pressetext, den auch Elke Suhr mit ihrer Einladung verschickt hatte. Meine Unruhe war Angst, die Angst nicht zu verstehen, was ich da sehen werde und somit keine Worte finden zu können. Warum das wichtig sein könnte, werden Sie gleich verstehen.

Aus dem Text geht hervor, dass es um die Seele geht und wie sie sich zeigt. Jeder weiß irgendwie, was die Seele ist, es gibt viele Philosophen, die sich mit der Seele beschäftigt haben, aber es gibt keine Worte, die sie erfahrbar machen. Maria Hobbing beschreibt in dem Text ein mögliches Konzept in Form einer Frage: „... und tritt nicht unsere Seele fast immer verschleiert auf.“ Sie fährt fort: „Versuchen wir sie nicht ... endlich zu erkennen?“ Hier stellt sich die Frage, ob das ein wichtiges Element ihrer Kunst ist?“ Ist die Kunst auch eine Art von Forschungsinstrument, um etwas zu erkennen?
Aber ihr Seelenkonzept formuliert sich noch weiter aus: Sie ist gefangen in einer Maske. Es ist eine Maske der Täuschung, Verschleierung, Tarnung und Verleugnung. Maria schreibt: „Die Maske dient der Abwehr aber auch zum Vereinnehmen, sie kann Fangarme der Verführung haben und kann sich im Feld des Abgesicherten und der Tradition einrichten.“ Das ist ein wunderbar kluger Satz, denn er weißt darauf hin, dass die Seele Angst hat und sich

versteckt. Möglicherweise kann sich die Seele nicht aus eigener Kraft zu erkennen geben, nur indirekt, weil sie schon da war, als es noch keine Sprache gab und hat gelernt, sich zu verbergen, um nicht vereinnahmt zu werden.
Aber wie zeigt sie sich, wie wagt sie sich hervor? Maria Hobbing hat hier den Begriff der „Schweißnähte der Seelenschaukel“ eingeführt. Diese - Nähte sind wie die Pforten eines Verstecks, so wie sie vielleicht Zeichen von Verletzungen sind. Sie können zu Zusammenhängen wachsen und sich verbinden. Wenn eine Verbindung gelingt, zeigt sich etwas, und es entsteht ein Klang. Die Seele erscheint hier nicht in sprachlicher Form, sondern als Klang. Ein Klang hallt nach und verschwindet wieder. Die „Schweißnaht“ als Begriff beschreibt auch die Maske, eine zusammengeschweißte Maske aus Metall. Er führt aber assoziativ auch zu einer Körperflüssigkeit, dem Schweiß. Durch die Schweißnaht scheint er zu quellen. Eine Absonderung der Seele. Wie riecht die Seele, angenehm, animalisch oder eklig und penetrant wie Angstschweiß, der andere fern halten soll?

Wir sind hier auf einer Ausstellungseröffnung. Und das, was wir zu sehen bekommen, hat auch eine Seele. Jedes Bild hat eine Seele.
Als ich in der vierten Klasse war, ich war zehn Jahre alt, hatten wir in der Volksschule, wie es damals noch hieß, einen bemerkenswerten Lehrer. Er gab uns zur Aufgabe, zum Unterricht ein Bild mitzubringen, das wir mochten. Wir stellten es dann vor uns auf das Pult und sollten es zehn Minuten lang betrachten. Es war mucksmäuschenstill. Ich hatte eine Schwarzweißfoto einer Skulptur von Tutenchamun, einer altsyrischen Büste, mitgebracht. Was ich da empfand, kann man mit Seele umschreiben, wobei ich nicht weiß, wessen Seele: spürte ich meine im Bild, hatte die Abbildung eine Seele? Spürte ich etwas von Tutenchamun oder von  dem Bildhauer, der die Skulptur geschaffen hatte? Maria Hobbing nennt das in ihrem Text „Knotenpunkt im Ver-schwommenen“. Was noch wichtig war, wir mussten über unsere Erfahrungen nicht sprechen.

Der 05. Beitrag zum Jahresprogramm SEELENKLIMA des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2021
Video Maria Hobbing: Schweißnähte der Schattenspiele
Präsentation         

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