In einer anderen Arbeit soll dieses Handeln in Form des schöpferischen Blicks angeregt werden. Eine Reihe von plattgefahrenen Dosen und Flaschen wird auf zwei schmalen Regalleisten an der Wand präsentiert. Es ist offenkundig: Der konzipierte Lebenszyklus der Behälter ist abgelaufen. Sie sind zu Müll umgewertet und gedankenlos auf die Straße geworfen worden. Dort ereignet sich ein Transformationsprozess. Die vormals dreidimen-sionalen Objekte werden zu zweidimensionalen Flächen gepresst und gewinnen dadurch eine bildartige Oberfläche, die wie eine spontane Collage von Linien und Farbflächen betrachtet werden kann. Durch ihre Präsentation wird der Betrachter angeregt, sie selbst in einen Kontext zu überführen, in dem nicht mehr das Primat der Funktionalität gilt, sondern nur noch das der bedeutsamen Ästhetik. In dem Moment beginnt ihr zweiter Lebenszyklus als Kunstobjekt.

Die zentrale Arbeit jedoch bezieht sich wiederum stark auf das persönlich mitgelittene Sterben und den damit einhergehenden Verlust, sowie auf spezifisch weibliche, rituelle Aspekte des Todes.
Wir sehen zwei Objekte von der Decke des Galerieraumes hängen, deren Form offensichtlich Kleidungsstücken nachempfunden ist. Sie sind in einer Handarbeitstechnik hergestellt, die landläufig der weiblichen Sphäre der Kultur zugeordnet wird: sie sind gehäkelt.


Den Schlüssel zum Verständnis beider Objekte bietet das jeweilige Material. Das eine ist angefertigt aus Super-8-Filmen aus dem Nachlass des verstorbenen Künstlers Claus Böhmler, dem ehemaligen Lehrers der Künstlerin. Das andere Objekt ist aus Lautsprecherkabeln von Manfred Kroboth gefertigt.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Es sind Totenhemden, die aus dem Umgang mit dem entstanden sind, was die Verstorbenen zurückgelassen haben. Der Tod hat eine Tätigkeit ausgelöst, die sich nicht vom Tod abwendet, ihn abspaltet und vergessen macht, genau so wenig wie sie nur ein Grabmal über den Toten errichtet.

Vielmehr erleben wir einen längerfristigen, fast mütterlichen Akt der Zuwendung in Form eines kreativen Prozesses, mit dem die nackte Erinnerung an die Toten umhüllt wird; mit dem all die losen Enden, die ein unerwarteter Tod zurücklässt, in einer Form wieder zusammengefügt werden, die der Erinnernden entspricht, die ihr erlaubt, den Tod und die Erinnerung in ihr eigenes Leben zu integrieren.
Und so folgt auf den Tod nicht nur eine sprachlose Leere, sondern durch ihn wird eine schöpferische Erinnerung freigesetzt, die als eine lebensspendende Kraft ins Leben zurückkehren kann.


© Thomas Piesbergen / VG Wort, Mai 2018
Präsentation
Vernissage
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