Holländische wörtlich nimmt, bemerkt man, dass viele Worte trotz phonetischer Ähnlichkeit eine andere Bedeutung haben. Und im Dänischen sind durch die spezifische Aussprache selbst gleiche Worte nicht mehr spontan identifizierbar, weil z.B. Konsonanten verschluckt werden.

Wegen der Dynamik von Sprachen und der Möglichkeit, sie zur Täuschung einzusetzen, erleben wir immer wieder absichtliche und unabsichtliche Verdrehungen der Bedeutungen, die durch Wörter transportiert werden. Beliebt sind Täuschungen und Tricks bei Politikern. So erlebte der Begriff „Revolution“ kurz vor der Eröffnung dieser Ausstellung Anfang September 2010 eine ungewöhnliche Verwendung. Die deutsche Bundeskanzlerin bezeichnete das soeben geschaffene Exklusivrecht für 4 deutsche Stromkonzerne, Kernkraftwerke 20 Jahre länger betreiben zu dürfen, als „Revolution“.1 Einen Tag später legte die Bundesbil-dungsministerin nach und kommentierte ein neues Stipendienmodell mit: „Das ist schon eine Revolution, die wir da anzetteln.“2, was angesichts des rückläufigen Bafögs, der Studiengebühren und der im internationalen Vergleich niedrigen Hochschulzugangsquote eines Jahrgangs dreist ist. Um eine graduelle Verbes- serung für wenige Nutznießer anzupreisen, benutzten Frau Merkel und Frau Schavan jeweils willkürlich einen Begriff, der mit einer durchgreifenden Veränderung in Verbindung gebracht wird.

Der Jargon von Gangs entwickelt sich mit der Absicht, von rivalisierenden Gruppen nicht oder falsch verstanden zu werden, und kann unter Umständen als Motiv eines ganzen Landes geltend gemacht werden. Denkt man noch einmal an die Aussprache der Dänen, welche niederdeutschen Vokabeln klanglich so verändert haben, dass sie spontan nicht mehr verstanden werden, lässt sich annehmen, dass Dänische Seefahrer daraus Vorteile gegenüber den anderen Seehandel treibenden Völkern im Nord- und Ostseeraum gezogen haben könnten. Die lautliche Abgrenzung von anderen Niederdeutsch sprechenden Konkurrenten erleichterte ihnen, sich an den Handelsplätzen abzusprechen, ohne dass ihre Absichten verstanden wurden. Weil das oft vernachlässigte Motiv der Abschottung durch Sprache oder Aussprache das Motiv der Verständigung überlagern kann, erfordert eine verbindliche sprachliche Übermittlung von Fakten ja so große Anstrengungen, besonders, wenn sie über Grenzen von Gruppen, Familien, Klassen und Staaten hinweg präzise sein soll.
American Alphabet und NATO Alphabet

Bei den Telefonier-Alphabeten handelt es sich um nationale Alphabete, die aus phonetischen Gründen für einzelne Berufsgruppen wie Funker, Seefahrer und Soldaten entwickelt worden sind. Damit Buchstaben korrekt verstanden werden, verwendet man Worte, die betreffende Phoneme als Anfangsbuchstaben führen, um am Telephon zu gewährleistet, dass einzelne Buchstaben unmissverständlich den Adressaten erreichen. Nur so können für internationale Verabredungen verbind- liche Namen, Begriffe und Zeitpunkte richtig übertragen werden. Das NATO Alphabet musste noch weiter reichen, weshalb für jeden Buchstaben ein Wort zugrunde zu legen war, das in jedem Mitgliedsland des Paktes nicht nur mit demselben bezeichneten Buchstaben beginnt, sondern auch klanglich mit ihm übereinstimmt. 

Juro Grau ging von diesen Worten aus und hat ihre Wiedergabe zusätzlich mit jeweils einem Objekt oder Piktogramm versehen. Alle Bestandteile hat sie wie in anderen ihrer Arbeiten mittels Zeichnungen und Mixed Media auf einem A4-Blatt angeordnet und jedes Wort in einer besonderen Schriftart und -größe, in Schreib- oder Druckschrift sowie Groß- oder Klein-schreibung im unteren Drittel eines karierten Papiers wiedergegeben. Das Piktogramm ist darüber auf die Blattmitte gesetzt. Dieses findet nicht immer eine Entsprechung mit dem Buchstaben oder dem Wort, wodurch das als verbindlich angelegte Alphabet wieder mit nicht verallgemeinerbaren Assoziationen in Verbindung gebracht wird, die eine große individuelle und kulturell geprägte Spannbreite haben und folglich zu Missverständnissen Anlass geben.

Die Mischung aus verbindlichen und unverbindlichen Zeichen
führt zu mehreren Gruppen, für die jeweils Beispiele angeführt werden:
-    Der v-förmig erhobene Zeige- und Mittelfinger, der für das englische Wort "Victory" mit der Handinnenfläche zum Publikum erhoben wird, und ein die Südstaaten-Flagge schwingender Arm für "Yankee" sind allen verständlich, die Grundkenntnisse in der angloamerikanischen Geschichte haben.
-    Daneben gibt es paradoxe Beispiele wie eine Erdbeere für "November", ein Handschuh für "Luna" und ein Fünfeck für "Delta".
-   Die im NATO Alphabet versteckte Italienische Automarke ist mit der markentypischen Schrift als "Alfa" und "Romeo" wiedergegeben, worin auch die Anspielung auf das Alphamännchen aus der Zoologie in Kombination mit dem ewig Verliebten wiedergegeben wird.
1 Ruth Weitz http://news.suite101.de/article.cfm/laufzeitverlaengerung-fuer-atomkraftwerke---ein-fauler-kompromiss-a85952
2 http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E03D28F18E7D044ABB14BB2A09A11DDE5~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Vernissage
back next
Gefördert von der Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg