Philipp Haffner: TAKE OFF | Zeichnungen und Video
Einführungsrede Christopher Vanja CSM London 05.02.14

Phase 1
Als ich Philipp Haffner 1998 kennenlernte zeichnete er unentwegt, und zwar meistens Objekte und Raumausschnitte in seiner unmittelbaren Umgebung. Auf seiner alten Webseite cremecenter.de sind diese Arbei- ten nach wie vor dokumentiert. Ich erkenne meinen alten Plattenspieler wieder, oder meinen damaligen Digitalwecker, Dinge die zufällig herumstanden. Allerdings sind die Objekte nie zentriert im Bild und komplett dargestellt sondern fragmen-tarisch abgebildet, sozusagen wie Dokumentationen der Umgebung von seinem direkten Blickwinkel aus gesehen.

Dieses Dokumentieren der individuellen visuellen Wahrnehmung des Künstlers, der Umsetzung visueller Reize in eine Zeichnung, ist zentral zu Haffners Arbeitsmethode und war schon in jener frühen Phase zu erkennen.

Phase 2
In einer zweiten Werkphase wurde dieser Prozess analysiert und konsequent weitergeführt in der Form von Versuchsaufbauten. Die Serien ‚Kernkraftwerke’, ‚Weltraumschrott’ und ‚Mikroben’ gehören zu jener Schaffensperiode.
In Anlehnung an Konzepte wie die Kybernetik, sieht Haffner seine Aufbauten in der Tradition der „Junggesellenmaschine“. Dieses Sinnbild das kunsttheoretisch von Marcel Duchamps Werk „Das grosse Glas“ aus entwickelt wurde und dessen Konzept die Idee der Menschmaschine beinhaltet, reicht nach wie vor weit in die Kunst- und Geistesgeschichte hinein und lässt sich bis heute in verschiedenen mechanisierten künstlerischen Experimenten nachvollziehen - von Andy Warhol’s Factory bis hin zu Holger Baer’s Mal- und Zeichenmaschinen in den 1990er Jahren.

In seinen Versuchsaufbauten versuchte Haffner ein hypothetisches Modell zu erproben, welches eine Zeichnung als einen Regelungskreis- lauf versteht, welcher innerhalb eines informationsverarbeitenden Systems funktioniert. Innerhalb dieses Kreislaufs werden Signale erzeugt und verarbeitet und wieder in den Kreislauf rückwirkend eingeschleust, quasi wie Rückkopplungen erzeugt zwischen einem Signal, einem Mikrofon, einem verbundenen Audioverstärker und Lautsprecher.

In seinen Versuchsaufbauten nahm Haffner zwei unterschiedliche Positionen ein um dieses zirkuläre Modell zu testen, zum einen als der Versuchsleiter und zum anderen als Versuchsperson. In einem statement aus dem Jahre 2010 erklärt Haffner:

In der Position des Versuchsleiters bestimme ich im Vorfeld die Konstellation und das Konzept der Versuchsaufbauten. […]
Als der Proband, der auf diese Reize reagiert, nehme ich die Haltung eines triebhaften Tieres oder einer Maschine ein, die „ohne Selbstbewusstsein“ Reaktionen zeigt. Diese Reaktionen werden als Zeichnung gespeichert und geben Aufschluss über das Zusammenwirken von Augen, Gehirn und Hand.
Dabei verwendete Haffner nicht mehr Objekte im unmittelbaren Raum sondern digitale Bildarchive aus dem Internet als visuelle Reize die er von einem Computerbildschirm abzeichnete. Während des Zeichnens bewegte er seinen Blick nicht vom Bildschirm und zeichnete somit ‚blind’ - eine Form des Zeichnens die an das automatische Zeichnen der Surrealisten erinnert.
Am Ende der Versuchsreihe wurden die Zeichnungen systematisch als Listen erfasst, digitalisiert und in ein Online-Archiv überführt, und damit wieder in den Kreislauf der digitalen Bildarchive eingespeist

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