Anlehnung an das Schlüsselwerk von Claude Lévi-Strauss1. Künstlerisch steht es in der Tradition der suprematistischen PROUN oder der Konter-Reliefs von Tatlin. Eckstein bezieht sich damit auf einen Ansatz der Moderne, der trotz oder wegen der oben genannten Zusammenhänge aktuell geblieben ist. Die Moderne hat nicht die Bedingungen des Imperialismus verursacht, die die bestehende 'symbolische Ökonomie' in den Tropen wegen des Nahrungsmittel- und Rohstoffbedarfs der Industrieländer ruinierte, sondern sie waren die Folge der Raffgier etwa der Königs- und Fürstenhäuser, der Industriekapitäne, Bankiers sowie der militärischen Eliten in den Nationalstaaten, die weltweit um Einflusssphären kämpfen ließen. Die Künstler der Moderne suchten nicht den nationalen, imperialistischen und ökonomischen Weg, sondern bezogen sich mit Bildern und Formen auf die Symbolsprachen der „Primitiven“, in denen sie Quellen für eine Überwindung der bürgerlichen Kultur sahen. Auch wenn die archaischen Kulturen auf allen Kontinenten nach und nach aufgerieben wurden, bleibt ihre Faszination deshalb bestehen, weil sie sich offensichtlich, den Raum, den sie bewohnten und durchstreiften, mit der Natur teilten. Diese Koexistenz enthält eine erweiterte Vorstellung des shared space, in dem Pflanzen, Tieren und Menschen gleichberechtigt sind und im Austausch miteinander leben. Es ist eine Utopie des Zusammenlebens, die gerade heute gültig bleibt, wo wir trotz weiter um sich greifender Zerstörung der Lebensräume nach einem Ausgleich mit der Natur suchen.

Die Papierarbeit, die auf der blauen Plane von „Traurige Tropen“ befestigt ist, zeigt Ornamente, die von der Haut der Bewohner aus den Lichtungen des Urwaldes auf Kleidungsstücke von Modekonzernen wanderten.

Sie wurden von der Hippiekultur adaptiert und werden heute in den Textilfabriken Asiens und Amerikas massenhaft auf Stoffbahnen für die Weltmärkte2 gedruckt.  Die Zeichen der Versöhnung mit der Natur finden ihre Verbreitung in der Massenkultur. Obwohl die konkreten Erinnerungen an die Zusammenhänge verwischt sind, beflügeln sie die Sehnsucht nach freiem Umgang miteinander und sozialer Selbstorganisation.

7.    Nachbemerkungen

Im mündlichen Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung hatte ich auf die Straßen in antiken Pompeji hingewiesen. Diese waren wie Kanäle angelegt, weil sie nicht nur als Fahrwege sondern auch als öffentliche Kloaken fungierten. Dementsprechend lagen die sie flankierenden Gehwege und Fußgängerüberwege mehrere Dezimeter hoch, damit Passanten trockenen Fußes die Straße überqueren konnten. In Pompeji waren also Kloake- und Verkehrsfluss auf einer Ebene, was zeigt, dass die Vorstellung des Fließens der Kloake auf den Verkehr bezogen wurde. Hier wird anschaulich, warum der Transport von großen Mengen die Partikularisierung, d.h. die Aufteilung in möglichst kleine 'Pakete', erfordert: Sie machen die Masse geschmeidiger. Dieses Verfahren ist übrigens bis in die immaterielle Ebene technisch und begrifflich beibehalten worden; denn auch im Internet werden Informationen in Teile zerhackt transportiert. 

Johannes Lothar Schröder

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1 Der Titel der Installation entspricht dem des Buches "Tristes Tropiques" von Claude Levi-Strauss, der während seines Aufenthalts im brasilianischen Matto Grosso über zwei Urwaldvölker schrieb. Es erschien 1955.
2 Lévi-Strauss untersuchte den Stellenwert der Ornamente in schriftlosen Kulturen und konnte nicht ahnen, dass er damit auch einen Interpretationsansatz der um sich greifenden globalen Schriftlosigkeit lieferte.


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Vernissage
Diese Ausstellung ist die 03. im Jahresprojekt shared space 2009 des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Gefördert von der Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirksamt Wandsbek
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