Johannes
Lothar
Schröder Bilderschrift und Körperzeichen zur Ausstellung "Gesprächsfessel" von Bärbel Bahlke-Meisel I. An einem anderen Ort Man kommt in eine
andere
Umgebung, betritt einen Raum oder steigt in ein
Fahrzeug, und die
Gedanken, die man vorher hatte, sind mit einem Mal
ausgelöscht. Die
Verbindung zwischen Umwelt und Gedankenwelt ist
gerissen. Die Fäden
müssen neu aufgenommen werden.
Das ist beängstigend. Aber vielleicht ist es auch wunderbar, dass es möglich ist, sich einer unbekannten Umgebung zu öffnen und dort die Fäden neu aufzunehmen. Es kann befreiend sein, die Gedanken, die einen gefesselt haben, los zu lassen und sich einer Situation zu überlassen, die es notwendig macht, ein neues Gedankenpaket zu öffnen. Es kann aber auch sein, dass sich die alten Gedanken in einer aktuellen Fassung zurückmelden und sich als brauchbar erweisen. Auf den Lauf der Zeiten übertragen, hieße es, dass Abläufe zu Veränderungen führen, denen sich unsere Symbole und Referenzsysteme anpassen. Die Sprache, die einmal gültig war, genügt veränderten Bedingungen nicht mehr. Diese verlangen nach Darstellungen, die es erlauben, bisher Unbekanntes zu verstehen. Auch wenn sich Altes im neuen Kontext bewährt, wird es nur bewahrt, wenn seine Aktualität neu entdeckt wird. Wir leben in einem permanenten Wandel, dem die Schrift- und Bildsprachen folgen. Bärbel Bahlke-Meisel hat dazu eigene Methoden entwickelt. II. Zwischen Schrift- und Bildsprache Die hier gezeigten Prints und Installationen sind ein Ausschnitt aus dem Werk von Bärbel Bahlke-Meisel, das nicht voraussetzungslos entstanden ist. Die Künstlerin greift auf einen über Jahre zusammengetragenen und enzyklopädisch geordneten Vorrat von Bildern und Zeichen zurück. Darin sind funktional verschiedene Dinge nach formalen Ähnlichkeiten gesammelt. Darunter finden sich zahlreiche Formen auf der Basis eines Kegels, dessen Spitze abgeschnitten ist. |
Assoziativ werden diese Gegenstände von Bild zu Bild weiterentwickelt, so dass sich eine Kette kontinuierlicher Modifikationen bildet, die auch Farben mit einbezieht. Die Löcher eines Duschkopfes etwa werden zu roten Flecken, so dass sie das Bild eines Straußes roter Rosen wiedergegeben, der in einer Vase steckt, die so hoch ist, dass die Köpfe der Rosen sich als Farbflecken auf der Ebene des oberen Vasenrandes verteilen. Das Gemälde, dem
das
Motiv für Plakat und
Einladungskarte
zu dieser Ausstellung entstammt, besteht aus Elementen
dieses
Repertoire: Aus dem Abflussloch eines Blumentopfes tritt
ein
rot-weißes "Trassierband" hervor, das sich nach unten in
größer
werdenden Spiralen ausbreitet und so die zylindrische
Form wiederholt.
Als Betrachter sind wir wahrscheinlich in der Lage, die
Kreisbögen im
oberen Teil des Bildes wegen der 5 Extensionen, die
spontan als "Finger" gelesen werden, als "Arme" zu
deuten. Deren Position
hinterlässt die Vorstellung, dass sie gespreizt und
leicht schwebend
auf einem "Reifrock" ruhen. So etwa vervollständigt sich
der Eindruck
einer Figur. Der Kopf wird durch einen Farbstreifen
hinzugefügt,
der von den "Armen" ausgehend über den Schultern
aufsteigt und sich
halb um den "Blumentopf" legt.
Ein diese Assoziationen herausfordernder Umgang mit Farben und Formen schafft das Rohmaterial einer Kombinatorik, die endlose Gestalten und Geschichten hervorbringt, indem Zeichen und Gegenstände verschoben und verknüpft werden. Sie bilden Elemente einer eigenen Sprache, deren Grammatik durch unsere Fähigkeit vorgegeben ist, Formen wahrzunehmen, zu interpretieren und zu erkennen. Zwei derartige Verkettungen von Gegenständen und Zeichen, die in Geschichten eingewoben werden, hat Bahlke-Meisel als Die Gartendusche und Die bulgarische Blumenhändlerin in einem Heft versammelt, und es spricht für die surrealistischen Wurzeln ihres Werks, dass Die Schöne Gärtnerin nicht nur als Titel eines Gemäldes von Max Ernst anklingt. |
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Bärbel Bahlke-Meisel: Gesprächsfessel 2008 (Installation) | |||
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