Susanne Bartsch: Comeback, 2007,
26.04. - 18.05.2007 EINSTELLUNGSRAUM e.V.


Was sind das für unmotivierte Sockel, wozu dienten sie und woran erinnert das? Könnte man sich fragen bei einer Raumbesichtigung, und hat man sich sicher auch immer mal gefragt bei anderen Ausstellungen hier. Sobald, wie jetzt gerade, diese Blumenkübel darauf stehen, wird diese Frage obsolet. Denn Susanne Bartsch hat den Blumenladen rekonstruiert, der sich hier befand, und diese Sockel gehörten zum Laden. Susanne Bartsch hat auch mit der ehemaligen Besitzerin gesprochen und einige andere Rückbauten vorgenommen. Der Spiegel links neben dem Schaufenster hat ein paar Jahre hinter der Wand auf seine Chance gewartet und kommt nun unerwartet - aber passend zum Jahresthema des EINSTELLUNGSRAUM -, das Jahresthema lautet SCHEIN, ans Licht.

Verkaufshilfen haben die Eigenart, sich unsichtbar zu machen, sobald die Ware auf ihnen liegt, zumindest wenn es passende Verkaufshilfen sind. Es verhält sich bei dieser Kombination von Ding und Präsentationshilfe für das Ding, so, wie sich das Zeremoniell zum Raum verhält, in dem es abgehalten wird. Das Zeremoniell entfaltet sich prachtvoll in dem geeigneten Rahmen, man kann denken an ein Hochamt, abgehalten in einem Dom beispielsweise. Wenn Zeremoniell und Raum, oder Verkaufshilfe und Ware, oder auch Werk und Rahmen absichtlich oder unabsichtlich nicht zusammenpassen, produziert man einen Scherz: Also wenn man auf diesen Sockeln jetzt Schnittwurst sehen würde, keine Schnittblumen. Oder wenn man ein Damenkränzchen in einem Hochofenwerk abhält, oder wenn man eine kleine Bleistiftzeichnung in einen massiven Goldrahmen hängt.

Schmuckkacheln von gewollter Rauheit sind der ideale Rahmen für die Ware Schnitt- blumen. Und es waren Schnittblumen, die auf dieser Kachelbank 75 Jahre lang zum Kauf angeboten wurden, der Laden war ein Familienbetrieb und hinter dieser Wand liegt immer noch die Tür, durch die man die Privaträume der Familie erreichte.

Susanne Bartsch lässt diesen Mauervorsprung wieder das sein, wofür er konzipiert war, eine Blumenbank nämlich, um besser an die Ware zu kommen. Entfernt erinnern diese Sockel an die Einhegungen und Mäuerchen der Paradiesgärten. Von den mittelal- terlichen Bildern solcher Gärten kennt man diese Mäuerchen – viel zu klein um jeman- den davon abzuhalten, den Garten zu verwüsten. Als ein Rahmen jedoch für die Idylle der Blütenarrangements, die mit einer starken Mauer keine solche mehr wäre, sind die Mäuerchen ideal und wirken also in die Ladengestaltung des 20 Jahrhunderts hinein nach.

Das gedankliche Bild, was damit aufrecht erhalten wird, ist der des hortus conclusus. Ein Bildmotiv, das eine besondere Rolle in der Mariensymbolik spielt, so dass sich die Blumen in den Paradiesgärtlein nicht einfach als Blumen sondern vor allem als Informanten erweisen.

Eine Situation die sich als generelles Problem der Künste identifizieren lässt. Die tradierte Symbolik der Kulturgeschichte besetzt nämlich sämtliche Betätigungsfelder mit identifizierbaren also informativen Strukturen, diese sind scheinbar sinnstiftend, und es gibt, obwohl man sich über das soziale Agreement, also das Scheinbare, die Verabredung, das Kontingente des Inhalts im Klaren ist, nichts außerhalb dieses Sinns. Rote Rosen sind rote Rosen, und man wird sie weiterhin symbolkonform verwenden. Nur bei Strafe des Missverstandenseins wird man zum Hund "Elefant" sagen. Es handelt sich um eine Dialektik der Zeichen, aus der wir uns nicht herauswinden werden können, wir sind gefangen.



Die aktuell waltende Rebellion gegen den Schein der verabredeten Zeichen (diese Rebellion von Seiten der Künstler ist eine ständige, hat aber eben verschiedene Fronten), hat derzeit viel mit der Allergie gegen den Ausdruck zu tun. Dieser, einst als höchstes der Kunstgefühle, also  Innerlichkeit, gefeiert, ist mittlerweile derartig zeichenhaft fest gemauert, dass eine - möglicherweise natürliche - Geste verdächtig an Werbung für Rama-Frühstücksmargarine erinnert. Gleichzeitig ist man aber nach wie vor der festen Überzeugung, dass Ausdruck nichts für verkniffene aggressiv-reaktionäre Menschen ist, die mit Unduldsamkeit gegenüber allem Ambivalenten und Offenen reagieren.

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