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gibt es darüber hinaus
eine viel ältere und stärkere Verbindung zwischen
Handwerk und Musik; denn der Legende nach soll
Pythagoras die unterschiedliche Qualität von Klängen
anhand der Hammerschläge verschiedener Schmiede
bemerkt haben. Sie lassen sich nach Wohlklängen und
Misstönen unterscheiden, welche durch die
Gewichtsverhältnisse von Hammer und Amboss und dem
Rhythmus der Schläge hervorgerufen werden. Dieses ist
nur ein Beispiel für die unmittelbare Verflechtung von
handwerklicher Tätigkeit und Musik, die neben dem
guten Ton auch den richtigen Takt verlangt.3
III. Von der Hand ins All Die Vielgliedrigkeit und Sensibilität der Hand mit ihrer Befähigung zum Handwerk ist eine grundsätzliche Voraussetzung der Menschwerdung. Die damit einhergehende Steigerung der Merkfähigkeit ist ein plastisches Vermögen, das auch den Bewegungen zugute kommt und entwicklungsgeschichtlich den Umgang mit Instrumenten und Werkzeugen vervollkommnen half. Die hier relevante Erfahrung wird durch üben respektive durch Wiederholen erworben.4 Die besondere Befähigung hierzu ist durch die menschliche Fertigkeiten gegeben, Werkzeuge und Instrumente in das Körperschema einzubeziehen. Was Gehirnforschern nachzuweisen gelang,5 hatten sich Kulturanthropologen, die sich mit der Geschichte von Werkzeugen befasst haben, über die Formbildung der Werkzeuge längst mitgeteilt; denn diese wurden im Lauf der Geschichte als Mittler zwischen der Anatomie des Menschen und den Aufgaben des jeweiligen Handwerkers so optimiert, dass schon frühere naturwissenschaftliche Messungen und Überlegungen die Vollkommenheit von Werkzeugen nur bestätigen, nicht aber verbessern konnten.6 |
Wenn man sich fragt, was
es mit der Gewaltanwendung gegen die Hand auf sich
hat, so muss man die Zusammenhänge zu verstehen
versuchen, welche den Nutzen und die Auffassung der
Handarbeit heute grundlegend verändert haben. Wie
André Velter und Marie-José Lamote vermuten,
sind Werkzeuge sowie ihre Anfertigung und Benutzung,
wohinein grundlegende Erfahrungen der
Menschheitsgeschichte eingeflossen sind, mit ihrer
Umwelt und mit dem Kosmischen verknüpft, so dass die
physische Arbeit mit einer transzendenten Ebene
verbunden ist, wie die Gesetze des Klangs mit den
Ambossen. Eine solche Verlängerung erfährt ja auch die
imaginäre Linie auf der Guidonischen Hand, die sich
schließlich über die Spitze des Mittelfingers hinaus
ins Unbestimmte fortgesetzt. Sie pflanzt sich damit -
und die Begriffe können je nach Einstellung und
Glauben variieren - in den Kosmos, die Unendlichkeit,
den Himmel oder die göttlichen Sphären fort. Dieser
zum Band abstrahierten Linie, die den Lauf der Noten
auf der Handinnenfläche wiedergibt, hat Kiessner die
Fortsetzung der Ausstellung im Kellerraum gewidmet.
Hier sind mehrere stilisierte Verbindungslinien der
Noten auf der Guidonsichen
Hand in Form von Papierbändern ausgeschnitten
und frei vor der Wand appliziert, so dass sie,
räumlich zur Entfaltung kommend, Schatten bilden und
sich derart in mehreren Dimensionen fortsetzen.
IV. Handwerk und Musik in Zeitordnung und Kosmos Die Guidonische Hand hilft in der Musik die Strukturen von Zeit und Raum zu produzieren, und die Linie, die die Hand verlässt, weist über ihre physische Begrenzung hinaus in das Weltall, womit die Verbindungen aufgezeigt werden, die durch die Universalität der Handarbeit begründet sind. Nicht allein die Feste und Feiertage sowie die Organisationen und das |
| Die 07. Ausstellung im
Jahresprojekt Autos fahren keine
Treppen des EINSTELLUNGSRAUM
e.V. |
Vernissage |
| 3 Das Memory-Theater Julio
Camillos weist z.B. der Musik, die dem Pythagoras
zugeordnet ist, neben der Nachtigall auch den Schmied
als Attribut zu. Frances Yeates: The Art of Memory,
London u. Chicago 1966 4 Für den belgischen Jongleur Serge Percelly wurden 40.000 Trainingseinheiten à 30 min. bis zum Erreichen hoher Zuverlässigkeit errechnet. siehe Anm.1, S. 115 ff, 127. 5 "We believe this ability of our body representation to functionally adapt to incorporate tools is the fundamental basis of skillful tool use," Lucilla Cardinali said. "Once the tool is incorporated in the body schema, it can be maneuvered and controlled as if it were a body part itself." Ein Forscherteam aus Lyon in: Current Biology (Cell Press) issued June 23rd 2009; Quelle: http://scienceblog.com/22536/brain-represents-tools-as-temporary-body-parts-study-confirms/ (2.10.2011) |
6
"In der Mitte des 17. Jahrhunderts gelang es den
Gelehrten Wren, Huygens und Wallis, die Hammerkräfte
in Formeln einzufangen. Sie untersuchten die im
Aufprall dieses Geräts wirkenden Kräfte im Verhältnis
zu seiner Masse; doch wie Paul Feller ironisch
anmerkt, wurden die Hämmer darum nicht verändert. Man
konnte nur ihre Vollkommenheit feststellen." Die
Praxis hatte einen Vorsprung von mehr als einem
Jahrtausend. Velter, André u. Marie-José Lamothe: Das
Buch vom Werkzeug, Genf 1979, S. 116 |
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