bungen und Inkongruenzen zeitigen wird, die wir wiederum als Empfänger nach unserem Belieben und vor dem Hintergrund unserer assoziativen Ressourcen deuten können. Dementsprechend werden einige von uns das Gefühl haben, da sie einen kohärenten Sinnzusammenhang herstellen können, einem gelungenen Dialog zu lauschen; andere hingegen werden das Gefühl haben, Zeugen eines Scheiterns zu werden.

Der Titel dieser Installation lautet Misunderstood Careless Whispers und nimmt explizit Bezug auf die Pop-Ballade Careless Whisper von George Michael, die zu einem Symbol des 80er-Jahre-Kitschs geworden ist. Übersetzt bedeutet der Titel „Leichtsinniges Geflüster“ und verweist damit auf die unabsehbaren Folgen einer gedankenlosen oder übereilten, potenziell missverständlichen Äußerung - ein Umstand, der im Ausstellungstitel ganz bewusst aufgegriffen wird.

Interessanterweise ist das Lied für sich genommen als ganz bewusst für den Musikmarkt kalkulierte Vorspiegelung von Gefühligkeit völlig unmissver-ständlich. Es erzählt eine von Klischees strotzende, rein fiktive Geschichte von einem Betrug in der Liebe und ist mit ebensolchen musikalischen Klischees orchestriert. Wegen seines großen Erfolges wurde es jedoch zum Objekt zahlloser, tiefgründiger Interpretationen, was den Komponisten selbst entsetz-te, da er in dem Lied niemals  etwas anderes gesehen hatte, als ein oberfläch-liches, für den Markt konzipiertes Pop-Produkt.
Während sich andere Künstler danach sehnen, gesehen und als tiefgründig begriffen zu werden, wurde George Michael durch die Überinterpretation des Stückes als Songwriter völlig desillusioniert. Gleichzeitig aber haben zahllose Hörer aus dem Stück für sie hoch bedeutsame Sinnzusammenhänge herausgelesen. Dadurch empfanden sie, die Kommunikation, die der Sender als tragisch gescheitert betrachtete, als glückhaft gelungen.

An dieser Stelle möchte ich meine Ausführungen abbrechen und die Besucher nun ihrerseits dem offenen Dialog mit dem Kunstwerk und den beiden Künstlerinnen überlassen, die, ganz im Sinne ihrer Arbeitsweise, eine abschließende Interpretation ihrer Arbeit ablehnen, da sie dem offenen Prozess vom Missverständnis und dessen Rückkoppelung zuwider liefe. So überlasse ich nun den gedanklichen Raum den umgedeuteten Sinnzusam-menhängen und einer wohlmöglich scheiternden und dennoch zugleich glückhaft gelingenden Kommunikation.


© Thomas Piesbergen / VG Wort, September 2021


Der 09.Beitrag zum Jahresprogramm SEELENKLIMA des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2021
Präsentation
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