Man denke nur an zwei Wissenschaftler,
die trotz persönlicher Miss-verständnisse und
Spannungen ein Forschungsvorhaben erfolgreich
abschlie-ßen, da sie zwar auf der Beziehungs- oder
der Selbstoffenbarungsebene scheitern, sich aber auf
der Sachebene erfolgreich austauschen können; oder
an zwei Menschen, die sich aufgrund einer
Sprachbarriere nur unzureichend über eine Sachfrage
verständigen können, sich aber dennoch gleichzeitig
der gegenseitigen Sympathie versichern und
dementsprechend auf der Bezie-hungsebene
ausgesprochen erfolgreich operieren können.
Die Auffassung von Sprache, wie sie Kundera und Eco
teilen, lässt eine andere Möglichkeit des Gelingens
im Scheitern zu, in Form eines positiven
Missverständnisses, in dem eine Äußerung vom
Empfänger in einen Sinnzu-sammenhang gestellt wird,
der den vom Sender intendierten transzendiert.
So kann einerseits ein Monolog dem Empfänger durch
eine vermeintliche Fehlinterpretation
Informationsfelder über den implizierten
Bedeutungsgehalt hinaus erschließen; andererseits
können die vom Sender ursprünglich inten-dierten
Inhalte durch eine Rückmeldung an den Sender, von
diesem wiederum in einem völlig neuen Licht
betrachtet werden und ihm so neue Perspektiven und
neue Denkoptionen eröffnen.
Wenn sich dieser Moment der Rückkoppelung mehrfach
ereignet, kann innerhalb der Kommunikation ein
eigenständiges Gedankengefüge entstehen, dessen
Dynamik und Komplexität die der jeweiligen
Kommunikationspartner deutlich übersteigt, und in
dem sich neue Gedanken und Ideen entwickeln können.
Dieses Phänomen faßte der Philosoph und
Schriftsteller Robert Anton Wilson in dem Satz
zusammen „Wenn zwei Gehirne miteinander
kommu-nizieren entsteht ein drittes.“ Es entsteht
kollektive Meta-Intelligenz.
Um die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der
Kommunikation und die Dynamik der Missverständnisse
auszuloten, haben sich die Künstlerinnen Elina
Saalfeld und Francisca Markus stellvertretend für
alle Kommunika-tionsarten das Medium Rhythmus und
Klang ausgewählt.
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Über
einen längeren Zeitraum haben sie sich
Audio-Fragmente zugeschickt, die weder durch
Körpersignale, Texte oder darüber geführte Gespräche
erläutert wurden. Wenn eine der Künstlerinnen ein
solches Fragment erhalten hat, deutet sie es
unabhängig von einer möglichen Intention und
antwortet darauf mit einem neuen Fragment.
Dabei bedienen sie sich sehr unterschiedlicher
klangerzeugender Medien, die man wiederum im Sinne
des Diktums „The medium is the message“ von
Marshall McLuhan auf das Kommunikationsquadrat von
Schulz von Thun ummünzen kann: Während Elina
Saalfeld auf eine radikal abstrahierte Weise Klänge
und Rhythmen erzeugt, in dem sie Algorithmen
programmiert, was man mit der Sachebene gleichsetzen
kann, nutzt Francisca Markus den eigenen Körper als
intuitiv agierende Klangquelle. Als Signale ihrer
realen Physis kann man diese Klangartefakte als
Informationen auf der Selbstoffenbarungsebene lesen.
Es werden dabei also Inhalte übermittelt, die zu
übermitteln ein Algo-rithmus niemals fähig wäre.
Auf diesem Weg entstand eine große Sammlung von
Klangartefakten, die von kleinen digitalen
Wiedergabegeräten abgespielt werden, die wiederum
mit Hilfe von Spanngurten im Raum installiert sind.
Dabei halten sich in der Regel zwei miteinander
verbundene Wiedergabegeräte im Gleichgewicht und
demonstrie-ren damit ihre gegenseitige Abhängigkeit
im Dialog; ganz im Sinne der Aus-sage George
Berkeleys, das Sein wäre bedingt durch gegenseitige
Wahr-nehmung.
In einem so durch die Bezüglichkeit der Klangquellen
strukturierten Raum ertönen die Artefakte in einem
offenen Arrangement, das im zeitlichen Vollzug dem
Zufall immer mehr Raum gibt und sich dadurch
schließlich in einem nicht vorhersehbaren
Zusammenspiel entfaltet. Wir werden also Zeuge der
Nachstellung eines Dialogs, der bereits von
idiosynkratischen Umdeutungen geprägt ist und der
nun, trotz kontrollierter Ausgangsbedingungen,
Verschie-
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