So gilt z.B. als eine der Hauptfehlerquellen in der Kommunikation zwischen Mann und Frau, dass Männer sich meist auf der Sachebene bewegen, wäh-rend Frauen der Beziehungsebene deutlich mehr Gewicht beimessen. Während also die eine Seite sich ausschließlich mit der rein technischen Lösung eines Problems beschäftigt, ist es der anderen Seite wichtiger, die Gefühle angesichts des Problems miteinander zu teilen und die Bereitschaft zu signalisieren, gemeinsam eine Lösung finden zu wollen. Die Verstimmungen und Verwerfungen, die daraus resultieren können, sind den meisten von uns ebenfalls hinlänglich bekannt.

Nach diesem Kommunikationsmodell gelingt eine Kommunikation also nur dann, wenn sich entweder beide Gesprächspartner zufällig auf einer Ebene treffen, oder wenn sie imstande sind, die Ebene des jeweils anderen zu erspüren, die Nachricht angemessen entschlüsseln und anschließend auf der gleichen Ebene zurück senden. Will man schnell getaktet kommunizieren, sind dazu zusätzliche Signale des Körpers wie Stimmmelodie, Mimik und Gestik notwendig, um die Aussagen angemessen zu markieren.

Um diese Signale des Körpers in einer schnell getakteten, spontanen aber körperlosen Kommunikation zu ersetzen und damit Mißverständnissen vorzubeugen, führte der Informatiker Scott Fahlmann schon 1981, in der Frühzeit der E-Mails, die Emoticons ein. Sie sollten dazu dienen, ironische Bemerkungen, die übereilt und ohne sorgfältige sprachliche Kennzeichnung verschickt wurden, von ernst gemeinten zu unterscheiden. Denn diese Art des Mißverständnisses, die aus den Gegebenheiten des neuen Mediums entstanden war, breitete sich überraschend schnell und wirkte sich ebenso überraschend destruktiv auf die Kommunikation innerhalb seines Instituts aus.

Doch es gibt auch noch eine weitere Art des Missverständnisses, die mit dem Sprachquadrat nicht in vollem Umfang erfasst werden kann. Sie bildet die innere Struktur des Romans Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins von Milan Kundera und wird dort protokolliert in dem sog. Kleinen Verzeichnis mißverstandener Wörter.
In diesem Verzeichnis führt Kundera vor, wie einzelne Begriffe, also die Grund-elemente der Sprache, von jedem Individuum mit vollkommen unter-schiedlicher, idiosynkratischer Bedeutung aufgeladen werden. Jeder Begriff, wie auch jeder andere Sinnesimpuls, löst bei jedem Menschen völlig unterschiedliche Assoziationskaskaden aus und steuert individuelle Erin-nerungen und emotionale Komplexe an, die schließlich unsere Individualität konstituieren. Aus diesem Grunde kann eine übermittelte Information niemals von zwei unterschiedlichen Menschen auf die selbe Art und Weise aufgefasst werden. Das bedeutet aber auch, das jeder Sprachgeflechte in sich trägt, die einer eigenen, individuellen Logik unterworfen sind, und die unser Sprechen unbewusst mitgestalten.

Über die dadurch notgedrungen bedingte Vieldeutigkeit schrieb Umberto Eco bezüglich der Literatur: „Die große Mehrheit der Lesarten bringt jedoch überraschende Sinnzusammenhänge ans Licht, an die man beim Schreiben gar nicht gedacht hatte.“
Ein Empfänger kann also aus einer Nachricht mehr Information herauslesen, als vom Sender ursprünglich beabsichtigt. Zudem wird er notwendigerweise neue, in seiner Subjektivität wurzelnde Bedeutungen generieren.
Diese Erkenntnis zieht Eco als gewichtiges Argument gegen die Interpretation des eigenen Werkes heran, da der Autor dadurch die Erschließung von Infor-mationen, die er unbewusst in die Struktur der Nachricht eingebettet hat, ebenso verhindert, wie die vom Text ausgelösten kreativen Prozesse im Geist des Lesers.

Vor dem Hintergrund dieser Aspekte wird es schließlich vorstellbar, eine vordergründig gescheiterte Kommunikation dennoch als eine geglückte zu betrachten.
Das Konzept des Kommunikationsquadrats erlaubt sowohl Interaktionen, die zwar auf der Beziehungsebene scheitern, aber dennoch auf der Sachebene zu einem Ergebnis führen, als auch Gespräche, die auf der Sachebene scheitern, gleichzeitig aber auf der Beziehungsebene für beide Seiten befriedigend sind.

Der 09.Beitrag zum Jahresprogramm SEELENKLIMA des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2021
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