Die letzte Arbeit trägt den Titel Das Zuckerhaus (Das Zuckerhaus - Videofilm, 2003, Farbe, 4 Min., mit Ton).

Auf eine weiße Fläche tropft hörbar und langsam eine rote Flüssigkeit.  Die Intensität des Farbregens und des Geräusches nimmt zu, das Gefühl des Bedrohlichen kommt auf.  Je dichter die Farbe sich auf der Fläche materialisiert, um so deutlicher wird ein weißes Haus sichtbar.  Die harmlose Stimmung kippt ins Bedrohliche, die blutrote Farbe wirkt wie ein Blutregen und das Zuckerhaus stürzt im selben Moment, in dem es sichtbar wird, ein und löst sich im Schwall der Fluten auf

Naho Kawabe setzt das techniklastige Medium Video malerisch ein und öffnet ein Fenster zu einer anderen Welt. Sie hält die Kamera nicht auf das sogenannte pralle Leben und liefert keine schnellen Bildfolgen. Sie inszeniert
Kunstwelten und setzt diese ihre innere stille Bilderwelt unseren lauten, schnellen, schrillen Medienbildem entgegen.  Sie schafft Bilder, die sich Zeit lassen und die Zeit bearbeiten, erforschen, austesten und sichtbar machen.  Sie erzeugt harmonische Momente mit erstaunlichen ästhetischen Effekten, macht Empfindungen sichtbar und spürbar.  Sie zaubert stille andere Wirklichkeiten und existentielle und philosophische Momente an die Oberfläche.
 
Sie malt mit der Kamera Grenzerfahrungen, Grenzüberschreitungen, macht Prozesse, Transformationen und Phänomene einer inneren Welt der verlangsamten Bilder sichtbar und spürbar, die in Analogie und in Kontrast zur Situation im Motor mit seinen vier Takten stehen, in dem ein schneller, lauter und stetiger Rhythmus zum Stoffwechselprozess und zur Energieumwandlung führt.

Gerade der dritte Takt des Motors, die Zündung, die Explosion, das Katastrophenmoment wird so gleichsam beleuchtet.  Im Motor wird es kontrolliert, gebändigt, geregelt und kanalisiert.  In den Arbeiten der Künstlerin gibt es ein Innehalten im Moment der Katastrophe und einen Schwebezustand.  Die Verräumlichung von Zeitlichkeit wird im Augenblick der Katastrophe durch die Augenblicksverdichtung und die Unvereinbarkeit sichtbar.  Der Betrachter ist zum geistigen Transformationsprozess gefordert.

Naho Kawabe nutzt feinfühlig in ihren audiovisuellen Arbeiten traditionelle asiatische Kulturelemente, wie auch Bildmagie und Symbolik, um verborgene poetische Welten an die Oberfläche zu bringen.
Ich wünsche Ihnen viel Freude an der Ausstellung.

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